Luchino Visconti: Ludwig II. (BluRay)

1972 schafft einer der bedeutendsten Regisseure des europäischen Kinos, Luchino Visconti, seinen Film „Ludwig II.“ Der am 22.03.1973 in einer zensierten Form in Bonn uraufgeführte Film wurde weitgehend an originalen Schauplätzen gedreht und ist der dritte Teil von Viscontis „Deutscher Trilogie“, zu der „Die Verdammten“ (1969) und „Tod in Venedig“ (1971) gehörten. Es gibt einige Highlights, wie z. B. die wohl einzige Filmaufnahme des „Tischlein-deck-Dich“ in Schloss Linderhof. Man kann den Film wohl ohne Übertreibung ein echtes prunkvolles Meisterwerk nennen.

Die verstümmelte Version, gegen die Visconti juristisch – erfolglos – vorgegangen ist, wurde rekonstruiert und 1993 vom ZDF in zwei Teilen ausgestrahlt. Der Film ist im Jahr 2000 auf VHS und als DVD erschienen; 2007 folgte eine „Arthaus Premium“-Version mit zahlreichen Extras (Filmdokumentation über Luchino Visconti, Dokumentation „Helmut Berger: Mein Leben“ und einem 16-seitigen Booklet). Im Januar 2015 ist nun eine BluRay-Version des Films erschienen, die wir hier vorstellen.

Gut Ding braucht Weile, möchte man sagen. Doch im Fall von Viscontis Ludwig II. war das Erscheinen auf BluRay längst überfällig. In Zeiten, in denen großformatige HD-Fernseher zur audiovisuellen Standardausrüstung der meisten Wohnzimmer gehören, bietet die DVD längst kein angemessenes Sehvergnügen mehr – das gilt umso mehr für dieses Meisterwerk, bei dem die Leinwand eigentlich nicht groß genug sein kann.

Auf Inhalt und Geschichte dieses Films, den Dreh an Originalschauplätzen und Helmut Bergers legendäre Personifizierung des Bayernkönigs muss an dieser Stelle nicht nochmals eingegangen werden. Alle diese Stärken, die Viscontis Werk zu einem unerreichten Solitär unter den Ludwig-Verfilmungen machen, kommen auf BluRay aber um ein Vielfaches eindrucksvoller zur Wirkung.

Im Direktvergleich mit den bisher erschienenen DVD-Fassungen wirkt das Bild erheblich detailreicher. Die feinen Muster auf Tapeten, die Motive der Wandbilder oder einfach Helmut Bergers zerzauste Haare des späten Ludwigs – vieles, was im DVD-Bild in pixeliger Unschärfe unterging ist jetzt scharf und plastisch. Glücklicherweise fiel das natürliche Filmkorn („Grain“) des Originalmaterials nicht irgendeiner digitalen Rauschunterdrückung zum Opfer, so wie es so manch anderes Meisterwerk zugunsten künstlicher Schärfe auf BluRay erleiden musste.

Im Gegenteil: Das Bild wirkt sehr ausgewogen und im Vergleich zur DVD wesentlich natürlicher und weniger verwaschen. So leben z. B. Schneefall und Filmkorn im gleichen Motiv in friedlicher Koexistenz. An ganz wenigen Stellen führt die Aufhellung des Bildes zu leichten Grauschleiern, wo man eigentlich ein Schwarz erwartet – das fällt aber nicht wirklich ins Gewicht, denn am Kontrast gibt es sonst nichts zu mäkeln. Auch die Farben sind jetzt klarer, realistischer und nicht mehr so überzeichnet und übersättigt wie teilweise in der DVD-Fassung.

Endlich entfaltet der Detailreichtum in Ludwigs Schlössern auf dem heimischen Fernseher seine verdiente Pracht. Nie sah der Spiegelsaal von Herrenchiemsee spektakulärer, die Hundinghütte verruchter oder die Winterlandschaft kälter aus. Ein echtes Seherlebnis.

Am Mono-Ton hat sich natürlich nicht viel verändert – das war aber auch nicht zu erwarten. Erwartet hatte man dagegen das ein oder andere Extra auf der BluRay – leider Fehlanzeige. Die meisten Fans besitzen wahrscheinlich bereits die DVD-Premium-Edition mit diversen Extras und können es daher verschmerzen, mit der BluRay eine „Film-Only“-Ausgabe zu kaufen. Wer sich das Meisterwerk aber zum ersten Mal fürs Heimkino zulegt, dürfte zurecht über die magere Zusatzausstattung enttäuscht sein.

Übrigens sollte man sich nicht über die im Vergleich zu den bisherigen DVDs geringere Gesamtlaufzeit wundern. Die BluRay-Version enthält die komplett ungeschnittene Fassung – so wie auch die DVDs. Stattdessen wurde jetzt nur auf die für die damalige TV-Ausstrahlung erforderliche Auftrennung in mehrere Episoden verzichtet, deren jeweiliger Vor- und Abspann in die Laufzeit der DVD-Fassung eingerechnet wurde.

Kurz gesagt: Trotz des Alters des Films erstaunt einen der qualitative Quantensprung, den man hier von der DVD zur BluRay erleben darf. Wer jetzt noch keinen BluRay-Player oder HD-Fernseher sein eigen nennt, hat endlich einen Grund, auf den neuesten Stand der Technik aufzurüsten. Und wer zuhause bereits auf dem neuesten Stand ist, den kostet dieses Kunstwerk keine 15 €.

© Stefan Klein
Berlin, 02.03.2015

Visconti_Ludwig II_BluRay Sprachen/Ton: Deutsch und Italienisch

Untertitel: Deutsch

 

Laufzeit: ca. 238 Minuten

 

Bildformat: 2,35 : 1

 

Auflösung: 1080/24p Full HD

 

Preis: 12,99 EUR

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Ludwig II. und seine Schlösser in historischen Ansichten

Misniks: Schlösser
Christian Misniks: Ludwig II. und seine Schlösser in historischen Ansichten

Ludwig II. und seine Schlösser in historischen Ansichten
Christian Misniks
Linderbichl Verlag, Oberammergau, 2014
ISBN 978-3-934883-15-4
104 Seiten, 11,50 EUR

Christian Misniks ist ein ausgewiesener Kenner von Schloss Linderhof, arbeitet er doch seit über 26 Jahren als Kastellan auf Schloss Linderhof. Auch sein Vater arbeitete schon im Schloss und lebte im Arbeiterwohngebäude.

Man kann also zu Recht behaupten, dass Misniks das Schloss und seine Geschichte besser kennt, als manch anderer; in vielen Publikationen hat er diese Kenntnisse unter Beweis gestellt (eine Veröffentlichungsliste finden Sie weiter unten). Weniger den Texten, als den historischen Ansichten widmet sich sein neuestes Buch. In diesem „Bilderbuch“ hat Misniks 125 Ansichten aus der Zeit Ludwig II. (1845-1886) zusammengetragen, die sich aus der „Farbenpracht der Gegenwartsfotografie“ abheben sollen.

Mit nur wenigen erläuternden Texten lädt der Autor dazu ein, aus „dem Detailreichtum der damals verwendeten Techniken wie dem Lichtdruck oder dem handkolorierten Abzug von Schwarz-Weiß-Glasplatten“ Neues zu entdecken. Die zum Teil großformatig abgebildeten Bilder sind dabei in den Text eingebettet und mit Infos und Zitaten (in grünen Kästchen) garniert.

Nach einer Einführung in „Ludwigs Leben“, vom „blassen Jüngling“ mit großem „Tatendrang“ bis zum „Schwanengesang“, Ludwigs Tod, taucht der Leser ein in die drei bekannten Schlösser des Königs: Linderhof, Neuschwanstein und Herrenchiemsee bis zum Königshaus am Schachen. Dem Linderhof schließen sich ein Rundgang durch den Park und die darin befindlichen Bauten, wie dem Venustempel, der Maurische Kiosk und die Venusgrotte sowie das Marokkanische Haus an. Dieses findet sich heute, wie die Hundinghütte und die Einsiedelei, im Schlosspark von Linderhof, wobei die beiden letztgenannten Gebäude nicht mehr im Original vorhanden sind. Die Abbildungen zeigen natürlich die echten Bauten in ihrer alten Umgebung.

Wie alle „großen“ Schlösser ist auch Linderhof nicht fertiggestellt worden: hier wurde das Schlafzimmer – nach der Fertigstellung – komplett ausgebaut, der Raum vergrößert und neu gestaltet; Misniks zeigt hier (Seite 24/25) beide Schlafzimmer.

Auch Neuschwanstein wurde mehrfach verändert und auch hier sind zahlreiche Räume (bis heute) nicht fertig gestellt worden. Einige Räume wurden nach Ludwigs Tod noch ergänzt; wie z. B. der Thronsaal, der noch einen Kronleuchter bekam. Misniks zeigt hier (Seite 49) die Version, die Ludwig noch gesehen hat und auch einen Entwurf vom Thron, der noch aufgestellt werden sollte. Seltene Bilder zeigen die Räume im heute nicht mehr öffentlich zugänglichen „Thorbau“.

Herrenchiemsee findet man heute nur noch als „Rumpf“ – den hufeisenförmigen Bau um den Innenhof. Misniks zeigt das Schloss mit dem bereits im Rohbau fertigen Seitenflügel und die ebenfalls heute nicht öffentlich zugänglichen privaten Räume. Sehr schön ist die Gegenüberstellung der prunkvoll ausgestatteten Räume in farbigen Ansichten mit den schwarz-weiß Bildern, so dass man sich die Farbe dazu vorstellen kann. Bei Bildern wie dem des Arbeitszimmers (Seite 88) gewinnt man einen Eindruck, wie die Räume zu Ludwigs Lebzeiten ausgesehen haben werden: Staffeleien mit Gemälden von geplanten Bauten, Bühnenbildern usw., die sich Ludwig aufstellen lassen ließ, um sich ein visuelles Gefühl verschaffen zu können.

Die abschließend aufgeführte Literatur lädt zum Nachlesen und Vertiefen ein, wobei hier die Angaben von Verlag und Erscheinungsjahr hilfreich für eine Recherche, z. B. im Antiquariat, gewesen wäre.

Das Büchlein, das Misniks seinem Vater Johann „zur Erinnerung“ widmet und der zum Abschluss auf einer Landmaschine abgebildet ist, ist eine Bereicherung für jede Ludwigiana-Bibliothek und sollte als Ergänzung zu den „in den Bücher- und Andenkenläden (…) mittlerweile Dutzende(n) von Bildheften zu den Schlössern und Biografien des ‚Märchenkönigs'“ stets hinzugezogen werden.

Anmerkung: Derzeit ist das Buch wohl nicht über Amazon bestellbar; es kann aber direkt über den Verlag bezogen werden.

© Michael Fuchs, Januar 2015

Weitere Veröffentlichungen vom Autor:

Herrenchiemsee – Schloss und Park, 2002

Misniks, Christian / Plesse, Jörg
Linderhof – Schloß und Park, 2000

Neuschwanstein – Ritterburg und Märchenschloss, 2002

Romantische Bauwerke des Märchenkönigs – Ludwig II., seine Schlösser, seine Gärten, 2000

Schloss Hohenschwangau, 2005

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Mit deutscher Geschichte durch das Jahr 2015

Eigentlich ist es ja noch etwas zu früh, um sich jetzt schon um einen Kalender für das Jahr 2015 zu kümmern. Die Verlage stellen aber schon jetzt wieder ihr umfangreiches Angebot vor. Aus der Vielzahl von Kalendern, allen voran natürlich die üblichen Bildkalender mit den Schlössern König Ludwig II. von Bayern, möchten wir hier einen etwas (inhaltlich) gewichtigeren Kalender vorstellen.

Der Südwest-Verlag aus der Verlagsgruppe Random House Bertelsmann bietet schon mehrere Jahre seine Reihe „Mit deutscher Geschichte durch das Jahr 2015“ als Textabreißkalender an:

Dieser Kalender präsentiert die wichtigsten Eckpfeiler deutscher Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Er enthält jeden Tag ein interessantes und manchmal auch bewegendes Ereignis aus der deutschen Geschichte. Ob Friedrich der Große, der erste Weltkrieg oder der Mauerfall, zu jedem Ereignis erfährt man die wichtigsten Grundlagen, Fakten und Daten.

Südwest-Verlag

Mit deutscher Geschichte durch das Jahr 2015 Textabreißkalender
Mit deutscher Geschichte durch das Jahr 2015 Textabreißkalender

Im Jahr 2015 ist König Ludwig II. von Bayern in Generalsuniform, einem Portrait von Ferdinand Piloty d. J. aus dem Jahre 1865, auf dem Titelbild abgebildet. Es ist ein wenig irreführend, dass Ludwig als einziges Bild den Kalender ziert; man könnte meinen, es handele sich um (zumindest vorwiegend) Daten aus dem Leben Ludwig II. – eine Idee, die man vielleicht mal aufgreifen könnte.

Jedenfalls spielt Ludwig keine hervorgehobene Rolle in dem ansonsten mit sehr schönen von der Redaktion ausgewählten Daten aus der deutschen Geschichte, die dem interessierten Leser täglich ein interessantes Ereignis vorstellt. Dabei sind die vorgestellten Ereignisse nicht immer nach „runden“ Jahrestagen ausgewählt. Es finden sich darunter viele Ereignisse, die selbst Geschichtsinteressierten nicht immer so präsent sind – sie laden ein, weiterzulesen und das Ereignis bewusster wahrzunehmen.

Herausgehobene Termine, die sich mit König Ludwig II., seinen Interessen, seinem Umfeld, beschäftigen sind zum Beispiel:

05. Januar Maximilian I. Joseph wird bayerischer König (1806)
30. Januar Reptilienfonds – Bismarcks „schwarze Kassen“ (1869) – Bismarck hatte Vermögen aus den ehemaligen Fürstenhäusern Hannover und Hessen beschlagnahmt und davon unter anderem Ludwigs Zustimmung zur Gründung des Deutschen Reiches unter Vorherrschaft Preußens erkauft.
01. Februar Einheitliche Briefmarken in Deutschland (1902)
13. Februar Richard Wagner stirbt (1883)
10. März Beginn der Regentschaft des „Märchenkönigs“ (1864)
26. März Festungshaft wegen Friedensvorschlags (1872) – August Bebel und Wilhelm Liebknecht werden wegen Hochverrats verurteilt. Die beiden Politiker machten einen Friedensvorschlag – konträr zu den offiziellen Jubelfeiern jener Zeit.
08. April Bündnis Preußens und Italiens gegen Österreich (1866) – Vorbote des zweiten deutschen Einigungskrieges und den ersten furchtbaren Krieg, den Ludwig aus dem Bündnis mit Österreich führen musste. Preußen besiegte Österreich (und seine Verbündeten) am 03. Juli bei Königgrätz.
27. April Beginn der deutschen Kolonialpolitik (1880) – In den folgenden Jahren hat das Deutsche Reich einige Kolonien „begründet“. Dieser Aspekt ist hinsichtlich Ludwigs Idee, sein Königreich zu „tauschen“ interessant.
02. Juni Wilhelm I. wird verwundet (1878) – Im offenen Wagen wird der preußische König und deutsche Kaiser bei einem Attentat verletzt. Ludwig hatte Zeit seines Lebens große Angst vor Nachahmungstätern.
13. Juli Die Emser Depesche (1870) – Auslöser des dritten Einigungskriegs, in den Ludwig wegen des Bündnisses mit Preußen eintreten musste.
27. Juli Wagners „Parsifal“ uraufgeführt (1882) – Die letzte Oper Richard Wagners wird in Bayreuth erstmals aufgeführt. Für Ludwig ein wichtiges Ereignis, für das er Chor und Orchester der Münchner Hofoper zur Verfügung stellte. Wagner hatte noch viele Opern geplant, starb aber schon 1883.
28. August Uraufführung des „Lohengrin“ (1850) – Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass diese Oper für Ludwig eine große Bedeutung hatte, nahm er doch in vielen Projekten (z. B. Neuschwanstein) Bezug auf die Oper.
01. September Reform des § 175 (1969) – Sexuelle Handlungen unter Männern über 21 Jahre wurden in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gesetzlich geahndet. Erst mit der Gründung des Deutschen Reiches galt der Paragraph auch in Bayern (bis dahin war die gleichgeschlechtliche Liebe nicht strafbewährt). Für Ludwig eine weitere Belastung (neben der katholischen Moralvorstellung), unter der er litt, da er sich ja als Staatsoberhaupt natürlich auch an die Gesetze gebunden fühlte. Erst 1994 wurde der Straftatbestand vollkommen aufgehoben. 140.000 Männer waren wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Neigung verurteilt worden.
06. September Dreikaisertreffen in Berlin (1872) – Das Deutsche Reich, Österreich und Russland schließen ein Abkommen zur Sicherung des Friedens. 1914 war davon keine Rede mehr und im (neuen) Bündnis mit Österreich entfesselte das Deutsche Reich einen entsetzlichen Krieg gegen Frankreich und Russland, den Ludwig zum Glück nicht mehr miterleben musste.

(c) Michael Fuchs, Berlin, Juni 2014

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König Ludwig II. – Die letzten Tage des Königs von Bayern

 „König Ludwig II.

Die letzten Tage des Königs von Bayern“

Alfons Schweiggert / Erich Adami

München Verlag, Mai 2014

ISBN 978-3-7630-4012-4

352 Seiten, gebundene Ausgabe, 29,95 EUR

 

 

 

Bildteil 1
Bildteil 1

Das Jahr 1886 war ein bewegtes Jahr. Wir befinden uns Ende des 19. Jahrhunderts. Vor 15 Jahren wurde das Deutsche Reich nach drei Einigungskriegen gegründet. Es herrscht Frieden und zahlreiche Erfindungen erleichtern den Menschen das Leben. Johannesburg wird gegründet, Coca Cola wird ebenso wie die Würzsauce Maggi erfunden. Im Herbst meldet Carl Benz das Automobil zum Patent an und erste Autos fahren mit dem Benzinmotor. Der Papierlocher wird von Soennecken erfunden, Erdinger Weißbräu gegründet. Die Freiheitsstatue in den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird eingeweiht. Es geht aufwärts.

Die Autoren

Die beiden bekannten Autoren Alfons Schweiggert und Erich Adami legen die Lupe auf die Ereignisse im Juni 1886 und damit – nicht nur für König-Ludwig-II.-Interessierte – eine ausführliche Chronik der Ereignisse rund um den 12. und 13. Juni vor. Am 12. Juni gelingt, vier Tage nach der Präsentation des Gutachtens der Ärztekommission um den Psychiater Dr. Bernhard von Gudden, die „Festsetzung“ des bayerischen Königs und er wird nach Schloss Berg gebracht. Am Tag darauf stirbt der abgesetzte König unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen. Sein Onkel Luitpold wird Prinzregent von Bayern.

Aus einer „Unmenge“ von Zeugnissen, Aufzeichnungen und anderen Dokumenten, die sich die Autoren mühsam zusammensuchten, ist ein sachlich fundiertes Buch entstanden, das sich wie ein Krimi liest und dennoch rein auf Fakten basiert. Mit dem jetzt erschienenen Werk dürften die wilden Spekulationen und Gerüchte durch die fast minutiösen Details verstummen.

Es ist, als habe ein Insider ein Tagebuch geschrieben, das jetzt erst entdeckt und veröffentlicht wurde – so genau werden Ereignisse und Berichte geschildert. Gerade so detailliert genug, dass keine Fragen offen bleiben. Die Autoren verlieren sich nicht in Nebensächlichkeiten, alles hat seinen Platz: hier wissen die Autoren, was sie tun.

Eingerahmt von einer kurzen Biografie des bayerischen Königs und den „Theorien über die Königskatastrophe“ mit sage und schreibe 26 Theorien zu Ludwigs und von Guddens Tod findet sich der Leser nahtlos ein in die Königskrise, die die Autoren am 13.06.1885 beginnen lassen.

Da die „Katastrophe“ selbst nicht zu verstehen ist, ohne die Umstände, die wesentlich auch auf der (privaten) Verschuldung Ludwigs basieren, ist noch ein Kapitel über die finanzielle Situation des Herrschers vorangestellt. Als offizielle Gründe für die Absetzung Ludwig II. werden die Schulden, die unaufhörliche Bautätigkeit und die Verhaltensauffälligkeiten angeführt. Doch auch die Ängste der Familie Wittelsbach, der regierenden Minister und nicht zuletzt die Homosexualität Ludwigs werden als inoffizielle Gründe genannt.

Landkarte 1
detaillierte Landkarten weisen den Weg

Eine Chronik, ein Tagebuch

Doch steigen wir ein in das Protokoll, ein Jahr vor dem zentralen Ereignis des Jahres 1886.

Die Chronik beginnt auf den Tag genau ein Jahr vor Ludwigs Tod mit einem Bericht in einer New Yorker Zeitung, die über „ärztliches Einschreiten“ und einer „Isolierung des Königs“ berichtet.

Am 31. Mai 1886 wird von einem Brief König Wilhelms von Preußen an seinen Ministerpräsidenten Bismarck berichtet: er fragt, „wer aus dem bayerischen Ministerium wohl den Mut aufbringt, Ludwig II. mögliche Rettungswege aus dem drohenden, Untergang‘ aufzuzeigen“.

Alle Welt scheint es zu wissen, außer Ludwig selbst; aber „der König muss weg“.

Um die nun folgenden Geschehnisse zu verstehen, erfährt der Leser umfangreiche Hintergrundinformationen, die zum Teil in hervorragenden Tabellen dargestellt sind. Ab Juni 1886 ist fast jeder Tag (davon einige mit Uhrzeitangabe) behandelt.

Der Leser erfährt die Eindrücke von Augenzeugen, „aktuelle“ Berichte in der Presse, die Meinungen von Zeitgenossen und natürlich Ludwigs Positionen. Übersichtskarten erleichtern die geografische Orientierung der Orte, an denen sich die Handlungen abspielen.

Die Dokumente werden kritisch hinterfragt und ergänzt, so dass man sie auch gleich richtig nachvollziehen und einordnen kann. Es werden auch „Legenden“ offenbart und in den korrekten Kontext gestellt. Einige Augenzeugen, die zitiert werden, können oft die wirklichen Zusammenhänge nicht kennen. Sie werden originalgetreu (mit Quellenangabe) wiedergegeben, aber dann auch ggf. widerlegt.

Wenn sich die Ereignisse überschlagen – so natürlich am Pfingstsonntag, 13.06.1886 (ab Seite 143) – gibt es oft verschiedene Ansichten, Versionen der Begebenheiten. Um 24 Uhr werden der König und Dr. von Gudden für Tod erklärt.

Man hat durchgehend den Eindruck, live dabei zu sein. Der Leser ist förmlich aufgeregt und fragt sich, wie wird es weitergehen. Wer hat welche Interessen, welche Meinung zu dem Geschehen.

Landkarte 2
Erläuterungen zum Text mit Bildern und Landkarten

Fotos werden im Text nicht einfach abgebildet, sondern sind markiert und erläutert – verständlich in den Zusammenhang gebracht. So finden wir auf Seite 78 ein Bild von Neuschwanstein (leider nicht von 1886) mit den Orten im Schloss, an denen sich die „Handlung“ abspielt. Grundrisse erleichtern das Zurechtfinden innerhalb der Gebäude (S. 123). Im Mittelteil finden sich noch 78 (zum Teil farbige) ergänzende Abbildungen.

Um 0:10 Uhr des Pfingstmontag, 14.06.1886, beginnt „die Woche nach der Katastrophe“; Telegramme überschlagen sich. Die Lektüre ist ein Genuss, spannender als ein Kriminalroman!

München ist in heller Aufregung, die Minister-Delegation reist an.

Wie sieht die offizielle Darstellung der Geschehnisse aus. Immerhin konnte man sich nicht großartig absprechen und die Aussagen koordinieren. Am Ufer des Starnberger Sees finden sich wechselnde Markierungen der Fundorte. Die Leichen werden überführt, untersucht und Ludwig einbalsamiert.

Kaiser Wilhelm I. besucht die Berliner Jubiläumsausstellung und ist „von der Katastrophe ,wie zerschmettert'“. Die Zeitungen greifen das Thema auf und Gerüchte entstehen. Die Zensur versucht, das wildeste Gerede einzuschränken, einiges hält sich bis heute.

Schon am 20.06.1886 beginnt die „Trauerarbeit und Bewältigung der Krise“. Exkurse in den entscheidenden Abschnitten fassen die wesentlichen Aussagen und Theorien zusammen.

Bildteil 2
Bilder im Mittelteil des Buches

Nun beginnt das „Aufräumen“: Neuschwanstein wird inventarisiert und Verwertbares verkauft, um die verschuldete Familienkasse aufzubessern. Bereits am 1. August 1886 – 48 Tage nach Ludwigs Tod – werden die ersten Besucher eingelassen. Der Eintritt in das „Neue Schloss Hohenschwangau“ kostet 3 Mark.

Schloss Berg wird zur Besichtigung freigegeben, aber bereits am 7. Juli 1886 wieder geschlossen; weitere Legenden entstehen.

Die beiden letzten Kapitel fassen – wohl erstmals in der Literatur – alle „Theorien über die Königskatastrophe“ zusammen. Der Leser findet 26 Darstellungen zu den Ereignissen, vom Fluchtversuch Ludwigs über Selbstmord, Unfall, Mord und Totschlag ausführlich erläutert. Jedes Gerücht enthält bekanntermaßen ein Quäntchen Wahrheit. Auch dies wird berücksichtigt.

Wie starben König Ludwig und der Psychiater?

War König Ludwig II. ein Mörder und ertrank? Oder wurde er selbst ermordet? Eine Frage, die viele bis heute beschäftigt: wurde Ludwig erschossen?

Die Autoren finden auch in ihrer akribisch recherchierten wie kritischen Arbeit keine abschließende Antwort auf diese Frage: „Die aus all diesen Gründen äußerst lückenhafte und widersprüchliche Quellenlage behindert die historische Forschung seit jeher und lässt ein ganzes Spektrum mehr oder weniger plausibler Theorien zum Hergang der Königskatastrophe entstehen. (…) Der Legendenbildung sind seit Anbeginn Tür und Tor geöffnet.“

Zwar wurden die Leiche des Königs obduziert; dennoch bleiben Zweifel. Könnte eine neue Obduktion mit modernen Mitteln Aufklärung bringen? Der Psychiater Heinz Häfner wird mit seiner Aussage zitiert: „Durch Post-mortem-Befunde ist nichts Neues zu erhoffen“.

Entscheidend dürfte – so die Autoren – die Bereitstellung sämtlicher Akten und Unterlagen aus dem Wittelsbacher Hausarchiv sein. Wichtige Dokumente sollen aber vernichtet worden oder verloren gegangen sein: „Dann würde man auch in den Archiven auf keine bislang unbekannten Informationen stoßen“.

Tabellen
Tabellen mit Erläuterungen/Zusammenfassungen

In den 352 eng beschriebenen Seiten ist wahrhaft alles aufgeführt, was man bis heute nur finden kann. Franz Wittelsbach, der „Chef des Hauses“, ist äußerst skeptisch: „Was heute noch auftaucht, sind Aussagen von zweifelhafter Herkunft: Da ist die Großmutter der Tante, die dies oder jenes erzählt haben soll. Das sind aber nur Gerüchte“.

Fazit

So enden die Autoren ihr Werk mit dem Fazit: „Es ist unwahrscheinlich, dass der reale Ablauf der tödlichen Tragödie am Starnberger See noch irgendwann hieb- und stichfest geklärt werden kann.“ Alles, was nach diesem Buch noch kommen mag, dürften „abenteuerliche Theorien und verlockende Spekulationen“ sein.

Erich Adami, der sich seit seinem zwölften Lebensjahr mit König Ludwig II. beschäftigt, schreibt über sich, sein „spezielles Ziel ist es, dessen Leben chronologisch lückenlos zu erforschen und zu dokumentieren“. Mit diesem Meilenstein dürfte es Alfons Schweiggert und ihm gelungen sein, einen unschätzbaren Beitrag dazu geleistet zu haben. Selten hat ein so umfangreiches Fachwerk derart überzeugt: dieses Buch muss man gelesen haben!

Michael Fuchs, Berlin im Juni 2014

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Ausstellung in Benediktbeuern: Dr. Bernhard von Gudden – Der Mann, der mit Ludwig II. starb

Johann Bernhard Aloys Gudden wurde am 7. Juni 1824 im niederrheinischen Cleve als dritter von sieben Söhnen des Gutsbesitzers und Bierbrauers Johannes Gudden und dessen Frau Bernhardine Fritzen geboren. Er studierte in Bonn (Philosophie), Berlin und Halle (Medizin). Nach seiner Promotion arbeitete er als Assistenzarzt in der Siegburger Irrenanstalt, die übrigens noch heute als „Rheinische Kliniken“ existieren. 1855 wurde Gudden – nach mehreren Tätigkeiten in verschiedenen Anstalten und einer kurzen Zeit als niedergelassener Arzt – Direktor der eben gegründeten unterfränkischen Landes-Irrenanstalt in Werneck; dort blieb er 14 Jahre. 1869 wurde Gudden Professor für Psychiatrie an der Universität Zürich. Er wurde 1872 Direktor der für 250 Patienten konzipierten und neu erbauten Bezirks-Irren-Heilanstalt Burghölzli. Dort blieb er nicht lange und übernahm 1872 die Leitung der Kreisirrenanstalt Haar in München. Gudden wurde 1874 (nicht vererbbar) geadelt und führte den Titel „Königlicher Obermedizinalrat und Professor der Universität“. Er veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, darunter drei Schwerpunkte: Beobachtung von Geisteskranken, Schädelkunde und Hirnforschung. In der wissenschaftlichen Welt genoss er großes Ansehen und galt als berühmtester deutscher Psychiater. Als Gutachter bei vielen Prozessen erarbeitete er sich einen Ruf über die Fachwelt hinaus als hervorragender Vertreter der Psychiatrie und Begründer der modernen Neuromorphologie. Er starb zusammen mit König Ludwig II. von Bayern am 13. Juni 1886.

Gerade angesichts der wissenschaftlichen Verdienste und seiner umfangreichen Erfahrungen verwundert es umso mehr, dass er sich für ein so oberflächlich begründetes und nur auf Akten und Zeugenaussagen beruhendes Gutachten zur Entmündigung des bayerischen Königs hinreißen ließ. Er diagnostizierte beim König die Krankheit „Paranoia“, als paranoide Form von Schizophrenie. Dieses Gutachten wird inhaltlich bis heute immer wieder kontrovers diskutiert als Mischung ernsthafter wissenschaftlicher Untersuchungen und politischer, geschmackloser Behandlung mit abwegigen Darstellungen.

Am 12. Juni 1886 wurde Ludwig auf Grund des Gutachtens Guddens in Gewahrsam genommen, der ihn in Schloss Berg am Starnberger See behandeln wollte. Einen Tag später wurden Gudden und Ludwig tot aufgefunden. Am König wurde eine Autopsie durchgeführt, bevor er beigesetzt wurde; den Bericht schrieb Dr. Grashey, der Schwiegersohn Guddens. Aus etwas schleierhaften Gründen wurde – im Gegensatz zu der Leiche des Königs – keine Autopsie an Dr. von Gudden durchgeführt, um die Todesursache festzustellen. Da es (offiziell) keine Zeugen gab, werden wir vermutlich nie erfahren, was wirklich geschah. Es gibt viele Theorien, einige von ihnen behaupten, dass das Ereignis das Resultat einer Verschwörung war. Entsprechend einer weiteren, beliebten Theorie wurden Ludwig und Dr. von Gudden ermordet.

Offiziell gehen die Historiker heute jedoch davon aus, dass Gudden „bei der Ausübung der für ihn selbstverständlichen Pflicht gestorben (ist), einen ihm persönlichen anvertrauten Patienten an der Verwirklichung seines Suizidplans zu hindern“.

(Bild: Dr. Bernhard von Gudden um 1870, Quelle: Wikipedia)

Wer war nun der Arzt, der mit Ludwig II. starb?

In Benediktbeuern findet vom 15. Mai bis 17. Juli 2014 die erste Ausstellung seit 128 Jahren über den Arzt, der mit König Ludwig II. am 13. Juni 1886 im Starnberger See den Tod fand, statt. Die Ausstellung zeigt das Leben dieses Mannes als:

  • Psychiater
  • Anstaltsleiter
  • Forscher
  • Hochschullehrer
  • Gutachter Ludwig II.
  • und als Mensch.

Die Ausstellung

Die Ausstellung unter der Trägerschaft des Bezirks Oberbayern und des Städtischen Museums Rosenheim wird am 15. Mai 2014 um 19 Uhr eröffnet. Sie enthält 80 Ausstellungstafeln, einen Dokumentationsfilm und zahlreiches Bildmaterial sowie interessante Exponate, darunter die erstmals öffentlich gezeigte Totenmaske Guddens. Die Ausstellung ist in neun Abschnitte gegliedert:

  1. Biografie Bernhard von Gudden
  2. Die Psychiatrie zur Zeit Guddens
  3. Die fünf „Rollen“ Guddens: fortschrittlicher Psychiater, gewissenhafter Forscher, Pionier der Hirnforschung, humanitärer Anstaltsleiter und respektierter Hochschullehrer
  4. Die Beziehung König Ludwig II. zu Dr. Gudden von 1872 bis 1886
  5. Guddens Rolle als umstrittener Gutachter des Königs
  6. Die letzten Lebensstunden Guddens und Ludwig II.
  7. Die Totenmaske Guddens (Entstehung, Besonderheiten und Bedeutung)
  8. Die Geschehnisse nach Guddens Tod
  9. Die Ereignisse in den 128 Jahren nach Guddens Tod: die Phasen der „Verteufelung“

Jeder, der König Ludwig II. respektiert, so der Begleittext zur Ausstellung, sollte sich auch mit seinem Gutachter Dr. Gudden differenziert auseinandersetzen, dessen Leben und Wirken untersuchen und sich bemühen, die Motive und Gründe nachzuvollziehen, die diesen Psychiater 1886 dazu bewogen, das berühmt-berüchtigte Gutachten über Ludwig II. zu verfassen. Das Schicksal des Bayernkönigs – so der Text weiter – ist viel zu eng mit jenem Dr. Guddens verbunden, als dass man seinen Blick nur auf Ludwig II. richten darf, aber bei der Beurteilung des Arztes, der ihn diagnostizierte, lediglich die hinlänglich bekannten Vorwürfe gegen ihn berücksichtigt.

Die Vernissage

Am Donnerstag, 15.05.2014, findet ab 19 Uhr die Eröffnungsveranstaltung zur Ausstellung in der Fachberatung Heimatpflege, Maierhof Beneditbeuern, Michael-Ötschmann-Weg 4, Benediktbeuern, statt. Die Grußworte halten: Josef Mederer, Bezirkstagspräsident Bezirk Oberbayern, Walter Leicht, Direktor des Städtischen Museums Rosenheim, Prof. Dr. Hans Förstl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München, Klinikum rechts der Isar, Dr. Wolfgang Gudden, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychosomatische Medizin. Der Kurator der Ausstellung, Alfons Schweiggert, wird die Eröffnungsrede halten.

Begleitveranstaltungen zur Ausstellung

Neben den Exponaten und Informationen bietet die Ausstellung mehrere Begleitveranstaltungen an:

Montag, 02.06.2014, 19 Uhr:
Prof. Dr. Adrian Danek/Michael Harles
„Dr. Bernhard von Gudden, Pionier der Hinforschung und Nervenarzt König Ludwig II.“
Seidlvilla München, Nikolaiplatz 1

Freitag, 13.06.2014, 13 Uhr Führung, 15 Uhr Vortrag
Dr. Wolfgang Gudden
„Dr. Bernhard von Guddens Verdienste um die psychiatrische Pflege“
Fachberatung Heimatpflege des Bezirks Oberbayern, Michael-Ötschmann-Weg 4, Benediktbeuern

Dienstag, 24.06.2014, 19:30 Uhr
Prof. Dr. Reinhard Steinberg
„Dr. Bernhard von Gudden, Bayerns umstrittenster Psychiater“
Geschlossene Veranstaltung

Dienstag, 24.06.2014, 18 Uhr
Alfons Schweiggert/Prof. Dr. Reinhard Steinberg
„Gespräch mit Diskussion zur Ausstellung“
Kloster Benediktbeuern

Mittwoch, 02.07.2014, 19:30 Uhr
Prof. Dr. Hans Förstl
„Dr. Bernhard von Gudden und Ludwig II. – Beispiel eines schwierigen Arzt-Patient-Verhältnisses“
Seidlvilla München, Nikolaiplatz 1

Dienstag, 15.07.2014, 19 Uhr
Prof. Dr. Gerd Laux
„Psychiatrie im 19. Jahrhundert, Psychiatrie heute – ein Vergleich“
Fachberatung Heimatpflege des Bezirks Oberbayern, Michael-Ötschmann-Weg 4, Benediktbeuern

Information

Die Ausstellung findet statt vom 15. Mai bis 17. Juli 2014. Öffnungszeiten: Sonntags 11 bis 16 Uhr, dienstags und donnerstags von 13 bis 17 Uhr; Sonderführungen ab 25 Personen werden nach Vereinbarung auch an anderen Tagen organsiert.

Homepage: http://fachberatung-heimatpflege.bezirk-oberbayern.de/index.phtml?NavID=379.14&La=1

Literatur

Als Begleitbuch zur Ausstellung (Katalog) wird das Buch von Alfons Schweiggert „Der Mann, der mit Ludwig II. starb“ im Husum-Verlag erscheinen.

Ein weiteres Buch zu den letzten Tagen Ludwig II. wird zur Ausstellung vom gleichen Autor in Zusammenarbeit mit Erich Adami im Münchenverlag erscheinen: „König Ludwig II.: Die letzten Tage des Königs von Bayern“.

Bereits im Jahre 2006 ist das Buch von Hanns Hippius und Reinhard Steinberg (Hrsg.) vom Springer Medien Verlag, Heidelberg, veröffentlicht worden: „Bernhard von Gudden“; es enthält auch die DVD mit dem Film von Michael Harles.

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LBM 2014: Wie der Tannhäuser zum Sängerkrieg kam

Stand die Leipziger Buchmesse 2013 noch ganz im Zeichen des 200. Geburtstags Richard Wagners mit vielen neuen Titeln (wir berichteten), so sah die Messe in diesem Jahr sowohl für Wagner- als auch für Ludwig-Interessierte etwas mager aus.

Mit 237.000 Besuchern, davon 175.000 Besucher auf dem Leipziger Messegelände, hatte die Buchmesse, die sich im Gegensatz zur Buchmesse in Frankfurt am Main als Publikumsmesse mehr an die Leser wendet, wieder einen großartigen Rekord gebrochen. Beim Jahresauftakt der Buchbranche präsentierten sich 2.194 Aussteller aus 42 Ländern. Über 3.200 Veranstaltungen an 410 Leseorten boten die Vielfalt der Literatur.

Die Verlage, die sich mit König Ludwig II. von Bayern beschäftigen, hatten in diesem Jahr – wenn überhaupt – nur einige Restbestände und Dauerbrenner dabei. Selbst das Rosenheimer Verlagshaus, das sonst mit eigenen Lesungen und sogar eine Fotoausstellung präsent ist, hatte nur ein paar Ludwig-Bücher dabei.

Einen Nachzügler zu unseren beiden „Helden“ haben wir dann aber doch gefunden, die wir hier kurz vorstellen möchten:

“Wie der Tannhäuser zum Sängerkrieg kam“ – Eine Begleitschrift zur Sonderausstellung anlässlich des 200. Geburtstags Richard Wagners vom 18.05.2013 bis 31.03.2014 auf der Wartburg.

In dem von der Wartburg-Stiftung herausgegebenen Buch, das im Juni 2013 erschienen ist, schreiben acht Autoren über die Wartburg im Bild der Literatur allgemein und natürlich über den „Originalschauplatz“ von Wagners Oper. Ausführlich schildern sie, wie die Personen aus Wagners Oper „Tannhäuser“ und das Wettsingen selbst nur mit sehr viel Fantasie dem realen Ort zugeschrieben wurden. Ebenso lehrreich wie unterhaltsam erfährt der Leser in dem reich bebilderten Buch mehr über die Hintergründe und Zusammenhänge des realen Ortes mit dem Mythos.

Die Kunsthistorikerin Grit Jacobs berichtet in ihrem Kapitel „‚Propaganda für die Zukunftsmusik‘ – die Wartburg als Ort und Bühne von Wagners Tannhäuser“ über den Besuch Ludwigs auf der Burg im Jahre 1867 und seinen Eindrücken sowie über deren Einflüsse beim Bau von Neuschwanstein: „Die Anregungen, die die Wartburg für Schloss Neuschwanstein lieferte, sind bis heute unübersehbar. Sie erweisen sich am deutlichsten im Sängersaal, in dem die Trapezform der Decke des großen Festsaals der Wartburg mit seiner vorgelagerten Galerie, die formalen Grundsätze der von Michael Welter ausgeführten Malereien mit den reichen Ornamenten und Vergoldungen, zahlreiche Details, wie die geschnitzten Binderfiguren und Bänke übernommen wurden.“ Richard Wagner, der zwar nie auf Neuschwanstein, dafür aber dreimal auf der Wartburg war, hat die Wiederherstellung und Ausstattung der Burg im Geiste des Mittelalters – bei der umfangreichen Renovierung der Wartburg im 19. Jahrhundert nach Jacobs Eindrücken „eher befremdet“.

Leider beschränkt sich die Autorin aber nur auf diese eine Übereinstimmung und schildert nicht weitere Bezüge, die die Wartburg und auch der Tannhäuser auf den bayerischen König und sein Neuschwanstein hatten. Ganz ausgeklammert ist so zum Beispiel das Bildprogramm im Arbeitszimmer, das ganz dem Tannhäuser gewidmet ist, oder dem Speisezimmer, das ebenfalls Motive der Wartburg und des Sängerkriegs aufgenommen hat.

Wer mehr über die Wartburg und seine Geschichte sowie die Oper und ihre Interpretationen erfahren möchte, ist mit diesem Buch gut beraten.

Weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie hier: http://www.eisenach.de/Richard-Wagner.3696.0.html

Die Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, die inzwischen mehrere Verlage unter einem Dach vereint, hatte zwar einen frischen Katalog und zwei Bändchen über Ludwig dabei, konnte aber leider auch nicht mit einem genauen Erscheinungstermin des erwarteten Buches von Alfons Schweiggert zur demnächst beginnende Ausstellung über Bernard von Gudden nicht wirklich dienen. Die beiden aktuellen Bücher von ihm (eines davon wieder in Kooperation mit Erich Adami) werden – nach Erscheinen – natürlich wieder hier besprochen.

Im nächsten Jahr findet die Buchmesse in Leipzig vom 12. bis 15. März 2015 wieder statt.

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Alfons Schweiggert: Weihnachten mit König Ludwig II.

Der 1947 geborene Autor Alfons Schweiggert ist eine ausgewiesene Koryphäe auf dem Gebiet der (bayerischen) Geschichte allgemein und des bayerischen Königs Ludwig II. im Speziellen. Allein Amazon listet von ihm derzeit 288 verfügbare Titel; sein erstes Buch veröffentlichte er 1971.

Aus diesem Fundus an Wissen und Quellen hat er – passend zur Weihnachtszeit – sein neuestes Werk zusammengestellt: „Weihnachten mit König Ludwig II.“.

Das Thema ist vielleicht ein wenig kitschig, die Überschriften sind in Schreibschrift gehalten und die zahlreichen Fotos in Sepia abgebildet.

In zehn Kapiteln führen die kurzweiligen Anekdoten von den ersten Weihnachtsfeiern des kleinen Prinzen (1847) bis zum letzten Silvester (1885). Darin erfährt der Leser nicht nur mehr über die Feste zum Jahresende im Kreise der Familie und deren Bedeutung für Ludwig, sondern – ganz nebenbei – auch vieles über die Kultur des Festes in Bayern.

Die Weihnachtskrippe, wie wir sie heute kennen, war lange Zeit verboten! Sie galten als „Relikte einer von abergläubischen Tendenzen bestimmten und äußerst fragwürdigen Volksfrömmigkeit. Deshalb fielen sie staatlichen, aber auch kirchlichen Verboten zum Opfer“ (S. 31). Von der katholischen Kirche wurde auch das Aufstellen so genannter Christbäume „als heidnisches Symbol abgelehnt“ (S. 35). Die Sternsängerei war sogar von der Polizei streng verboten.

Ludwig dagegen liebte Krippen und Christbäume, so dass Schweiggert dem Thema ein ganzes Kapitel widmet. Er bezeichnet ihn mal als „Vater“, mal als „Paten“ der Christbäume in Bayern; gleichzeitig schreibt er aber, dass diese Tradition durchaus schon vorher (1816/1847) bestand. Ludwig hat „seine Weihnachten“ eher still und im engeren Kreise gefeiert, so dass nicht ganz deutlich wird, wie er damit zum „Trendsetter“ werden konnte.

Die königliche Familie hat später für jeden einen eigenen Christbaum aufgestellt, unter dem dann jeder seine Geschenke fand. Schweiggert berichtet von den Geschenken, die Ludwig bekam, auch und vor allem aber, was Ludwig an andere verschenkte. Ludwig war ein freudiger Schenker, der sich stets sehr viele Gedanken um die Präsente machte. Nach heutiger Kaufkraft soll Ludwig knapp drei Millionen Euro für Weihnachtsgeschenke ausgegeben haben (S. 28).

Die Quellen zu den Ereignissen werden meist mit angegeben – oft wird auch aus Romanen (manche zu Recht mit einigen Zweifeln an der Wahrhaftigkeit) zitiert. Eine sehr schöne solche Anekdote ist z. B. der Besuch in einer Mitternachtsmesse, die Ludwig unerkannt besucht haben soll. Zu den sehr schönen Abbildungen gibt es keine Quellenangaben, einige sehr gelungene Collagen könnten daher von Schweiggert selbst stammen.

Eine besonders schöne Geschichte erzählt von einer (ungenannt bleibenden) Familie, die jedes Jahr ihr Fest ganz im Sinne des ehemaligen Königs feiert (S. 79 ff.). Sie hält bis heute die Tradition aufrecht, auch Bedürftigen zu schenken, so wie auch für Ludwig „Weihnachten ein Fest der Armen“ (S. 68) war.

Insgesamt bietet das kleine Büchlein ein schönes Mosaiksteinchen für Leser, die sich für die Tradition der Jahresendfeste interessieren, die etwas mehr darüber erfahren möchten, welche Bedeutung es für Ludwig von klein auf hatte und wie er diese Feste feierte. (MF)

Alfons Schweiggert
„Weihnachten mit König Ludwig II.“
Verlagsgruppe Husum, 2013
112 Seiten, Euro 6,95
ISBN 978-3-89876-706-4

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Die Ducks in Deutschland – Ludwig auf dem Oktoberfest

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Vor einiger Zeit hatten wir unseren Lesern das Sonderheft „Die Ducks in Deutschland“ aus dem Ehapa-Verlag vorgestellt.

 

 

In einer der Geschichten besucht König Ludwig II. von Bayern (bzw. ein Darsteller) das Oktoberfest, als die Ducks in München sind. Wir fragten, wie oft der wirkliche König Ludwig dort war.

 

 

König Ludwig II. besuchte während seiner Regierungzeit 1864-86 mindestens fünf Oktoberfeste in München; die Quelle und weitere Informationen zum Fest und seinen prominenten Besuchern finden Sie hier.

 

 

Unter den zahlreichen Einsendern hat Frau Marga G. aus Köln ein Exemplar des Buches gewonnen.

Wir gratulieren ganz herzlich und wünschen viel Spaß bei der Lektüre!

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Der Liebhaber des Königs


Jürgen Honeck: „Der Liebhaber des Königs – Skandal am württembergischen Hof“
Stieglitz Verlag, Mühlacker 2012, ISBN 3-7987-0408-2, Preis: 20,90 EUR

 

Nein, leider hat sich immer noch kein „Liebhaber des Königs“ Ludwig II. von Bayern beweisfest gefunden…

Der Titel des Buches mit dem Untertitel „Skandal am württembergischen Hof“ bezieht sich auf König Karl I. von Württemberg, der von 1823 bis 1891 lebte und damit ein Zeitgenosse des bayerischen Königs war.

Der 1954 geborene Dr. Jürgen Honeck legte 2012 sein nunmehr drittes Werk vor. Auch dieses Buch ist in Romanform gehalten. Obwohl sich der Lehrer und Dozent für die Fächer Geschichte und Volkswirtschaftslehre streng an Fakten hält, bevorzugt er, als „erzählender Historiker“ zu schreiben. Dies gelingt ihm so ausgezeichnet, dass es eine große Freude ist, das Buch in nahezu einem Abend durchzulesen.

Für das 255-seitige Buch, hat Honeck vier Monate im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart recherchiert und dort einige Schätze, unter anderem das Tagebuch des königlichen Leibarztes Berthold von Fetzer, gefunden. Im Gegensatz zum Bayerischen Familienarchiv, bei dem beispielsweise Heinz Häfner auf Grenzen stieß (vgl. Rezension), konnte der Historiker Honeck frei in alle Richtungen arbeiten.

Das Buch ist in vier Teile mit insgesamt 39 Kapiteln aufgeteilt, die alle keine Titel haben. Zunächst ist dies etwas verwunderlich, stößt aber beim Lesen nicht weiter auf. Sehr interessant sind die drei Nachträge und der ausführliche Anhang.

Der engagierte Lehrer, der in den USA und an der TU Darmstadt studierte und schließlich dort in „Neuerer Geschichte/Amerika“ promovierte, erhielt mehrere Stipendien und bedeutende Auszeichnungen (wie z. B. den Preis der Kultusministerin Rheinland Pfalz).

Wir möchten das vorliegende Buch grundsätzlich für Leser empfehlen, die sich für Personen des 19. Jahrhunderts interessieren, aber eben auch für Leser, die packend erzählte historische Geschichten mögen. Ganz besonders interessierte uns aber eben der Bezug zu Ludwig von Wittelsbach, der wohl ganz ähnliche Erfahrungen gemacht haben dürfte wie Karl von Württemberg, dessen Leben dann jedoch gänzlich anders verlaufen ist.

Daher haben wir den Autor um ein Interview zu seinen Forschungen gebeten und wollen damit mögliche Parallelen und Zusammenhänge ansprechen.

Ludwigiana: Herr Honeck, vielen Dank, dass Sie sich für ein Interview zur Verfügung stellen, kommt doch der bayerische König Ludwig II. nur an wenigen Stellen in Ihrem Buch direkt vor.

Jürgen Honeck: Selbstverständlich bin ich gerne bereit, Ihren Fragekatalog zu meinem Buch zu beantworten; ich werde zwar nicht alle Fragen beantworten können, aber ich werde mich bemühen, alle Fragen zu beantworten, worauf ich eine Antwort weiß. Fangen Sie doch einfach am Anfang an…

L Wie lange haben Sie am Buch gearbeitet, wie lange recherchiert?

H Die sehr umfängliche Recherche im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im Archiv des Hauses Württemberg dauerte ca. 4 Monate. Vor allen Dingen das Tagebuch des königlichen Leibarztes, Dr. Berthold von Fetzer, bereitete viel Aufwand (sehr kleine, oft nur mit der Lupe lesbare handschriftliche Einträge in Sütterlinschrift – 10 Bände à 250 eng beschriebener Seiten!). Die Gesamtzeit für die Fertigstellung des Buches betrug ca. 2 Jahre. (2-3 Stunden täglich – in der Freizeit!).

 

Das Haus Württemberg und der Roman als literarische Gattung

 

L Im Februar 2008 erschien Ihr erstes Buch: „Drei württembergische Könige. Ihre Persönlichkeit im Spiegel von Politik, Macht und Liebe“, in dessen Mittelpunkt die drei württembergische Könige: Friedrich I., Wilhelm I. und Karl I. stehen. Woher kommt Ihr Interesse am württembergischen Königshaus im Allgemeinen und an König Karl I. im Besonderen?

H Mich haben die deutschen „Mittelstaaten“ schon immer fasziniert. Groß genug, um im deutschen Machtpoker zwischen Preußen und Österreich nicht ganz übersehen zu werden, aber doch so klein, dass alles noch überschaubar bleibt und der Herrscher nicht bloß zu einer abstrakten Figur im kollektiven Denken seines Volkes „verkommt“, sondern volksnah bleibt.
Dass es ausgerechnet Württemberg traf, das mein Interesse weckte, ist da eher ein Zufall. Ich lebe seit 12 Jahren in der Nähe von Stuttgart, und so ergab sich das mit Württemberg. Würde ich in München, Karlsruhe oder Darmstadt leben, hätte sich mein Interesse sehr wahrscheinlich auf Bayern, Baden oder Hessen bei Rhein erstreckt. Aber mit der Wahl Württemberg bin ich sehr zufrieden.

L Was ist für Sie persönlich das Besondere an König Karl I. und seiner Geschichte?

H Die Tragik, dass seine Geburt ihn zu etwas bestimmte, dem er nicht gerecht werden konnte. Aber auch sein Mut, sich zu seinem Anderssein offen zu bekennen und den althergebrachten Konventionen seiner Zeit ohne Angst vor Konsequenzen zu trotzen.

L Warum haben Sie für das Buch, das ja im Grunde auf Fakten und mühevoller Recherche basiert, die Romanform gewählt?

H Es ist mehr eine Mischform aus populärem Sachbuch und Roman. „Roman“-Dialoge haben den Vorteil, dass man den Sprachstil lebendiger gestalten kann als das mit dem eher nüchternen Stil eines Sachbuchs möglich ist.
Komplexe Themen mit vielschichtigen und komplizierten Herleitungen lassen sich in Dialogen oder Monologen oft besser darstellen und sprachlich prägnanter ausdrücken als im reinen Sachbuch. „Spekulative“ Überlegungen, die man bei der Bearbeitung eines Stoffes manchmal machen muss, kann man dem Protagonisten eines Romans „in den Mund legen“, ohne deswegen gleich auf Quellenzitate verweisen zu müssen, die es oft nicht gibt, von denen der Autor aber weiß, dass es sie eigentlich geben müsste! (Nirgendwo ist z.B. eine Aussprache zwischen Olga und Karl wegen dessen Homosexualität dokumentiert; wer glaubt aber, dass sich die beiden niemals über dieses für die Ehe bedrückende Thema „ausgesprochen“ haben, und sei es nur über ein leicht dahingeworfenes Wort, einen Streit oder eine ehrliche Aussprache? Das Sachbuch muss hier schweigen, der Roman kann einen Schritt weiter gehen, und das allzu Wahrscheinliche im „erfundenen“ Dialog thematisieren.)
Emotionen, auf die es gerade bei der Geschichte von König Karl ankommt, können dem Leser im Romandialog auch sprachlich eindringlicher geschildert werden, als das bei einem nüchternen Sachbuch je möglich wäre. Die Restriktionen, die das Genre Sachbuch dem Autor auferlegt, lassen sich im Roman weitgehend auflösen. Aber natürlich darf das nicht auf Kosten der Authentizität gehen, an die der Autor unbedingt festhalten muss!
Hinzu kommt, dass sich die Einträge im Tagebuch von Dr. Fetzer, der einen tollen erzählerischen Schreibstil hat, vorzüglich für einen Roman eignen. In einem Sachbuch hätten die Zitate aus dem Tagebuch des Leibarztes vielleicht etwas „fremd“ oder „untypisch“ gewirkt, wenn man – wie ich es wollte – ausgiebig von ihnen Gebrauch macht. Da ich mit „Liebhaber des Königs“ ein breites Lesepublikum ansprechen will, habe ich es einmal mit dieser Mischform von Roman und Sachbuch probiert. Ich hoffe, dass die Leser es goutieren werden. Aber klar bleibt, dass alle Passagen im Buch – also auch die „fiktiven“ Dialoge – eng auf die verbürgten historischen Tatsachen bezogen sind. Deswegen bezeichne ich mein Buch auch als „Tatsachenroman“.

L Wie sind Ihre Erfahrungen, welche Reaktionen gab es nach der Buchveröffentlichung?

H Offensichtlich goutieren meine Leser und die gestrenge Fachkritik diese Art von stilistischer Komposition. Natürlich werde ich damit nicht jedem Leser oder Kritiker gerecht werden können. Aber ich glaube, dass ich im Großen und Ganzen damit richtig liege.
In der württembergischen Presse wurde mein Buch sehr gut rezensiert, was mich natürlich gefreut hat. In den Bibliotheken, die mein Buch im Bestand haben, ist die Nachfrage nach dem Werk sehr hoch, wie ich mir kürzlich berichten ließ. Indirekt werte ich das als Zustimmung zum Buch durch die Leser.
Insgesamt also eine sehr positive Resonanz!

L Wie hat sich Familie Württemberg als „Betroffene“ verhalten, insbesondere hinsichtlich privater Papiere des Königs?

H Auf das Buch reagiert hat die herzogliche Familie noch nicht. Was aber die Recherche im Hausarchiv der Familie – die Bestände betreffend, die im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart lagern – angeht, hatte ich keinerlei Hindernisse zu überwinden. Die Einsicht in private Dokumente der königlichen Familie wurde mir per Sondergenehmigung ohne weiteres erteilt.

 

Karl und Ludwig – und deren Resonanz in der Öffentlichkeit.

 

L Warum findet König Karl in den Medien so geringe Beachtung – im Gegensatz zu König Ludwig II. von Bayern?

H Vielleicht liegt es an der zurückhaltenden Art der Württemberger, lieber für sich zu bleiben anstatt viel Aufhebens von sich zu machen.
Schon König Friedrich I. von Württemberg führte als Entschuldigung für das geringe Kriegsinteresse seiner Württemberger gegenüber Kaiser Napoleon I. von Frankreich ins Feld, dass seine Landsleute – im Gegensatz zu den Franzosen – nicht zum gefühlsmäßigen Überschwang neigten, sondern durch klare und einsichtige Argumente für oder gegen etwas überzeugt werden müssten.
Vielleicht liegt es aber auch am strengen Pietismus, der die bunte Vielfalt des Lebens nicht so stark akzentuiert, wie es beispielsweise im katholischen Bayern der Fall ist.
König Ludwig II. von Bayern ging als „Märchenkönig“ in die Geschichte ein, hinterließ unzählige Schlösser und Bauten, die heute die Nachwelt faszinieren. In Württemberg gibt es nichts Vergleichbares, außer Schloss Ludwigsburg, mit dem aber Karl I. nichts zu schaffen hat. Ludwig II. lebte in einer eigenen (Fantasie-) Welt, bei Karl war das nicht so stark ausgeprägt. Ludwig träumte von einem absolutistischen Königtum, in dem er als heldenhafter „Schwanenritter“ die Mythen und heiligen Sagen der alten Germanen, wie sie Wagner in seiner Musik so genial komponierte, zu verwirklichen suchte – so will es zumindest die Legende um den „Kini“.
Karl war zwar nicht ganz so stark der Welt entrückt, wollte aber die Last eines Zepters ebenso wenig tragen wie Ludwig.
Vielleicht war Karl in seinem Gebaren etwas weniger „exzentrisch“ als Ludwig.
Für die Nachwelt sind aber Persönlichkeiten, die durch ihre „Verrücktheiten“ oder Extravaganzen berühmt oder berüchtigt wurden, vielfach attraktiver als Leute, die etwas weniger „auffällig“ waren.
Vielleicht ist es auch seine Seelenverwandtschaft mit Wagner, die Ludwig heute in ein helleres Licht stellt als Karl.
Außerdem wurde Ludwig II. entmündigt – was an sich schon ein politischer Skandal war – und starb wenige Tage danach unter mysteriösen Umständen im Starnberger See.
So etwas schürt natürlich die Neugierde der Menschen, die gleich ein Verbrechen wittern und so den Mythos um diesen König immer wieder neu aufleben lassen.
Als Ludwig den bayerischen Thron bestieg war er gerade Mal 18 Jahre alt, Karl aber bereits 41 als sein Vater starb!
Die Jugendlichkeit von Ludwig als König ist vielleicht auch ein Attribut für seine Berühmtheit. Jugend und romantische Schwärmerei passen eben gut zusammen und eignen sich vorzüglich als Projektionsfläche für eigene Sehnsüchte und Fantasievorstellungen. Gewiss spielt für die Nachwelt auch Ludwigs „Seelenfreundschaft“ mit Kaiserin Elisabeth (Sissy) von Österreich eine Rolle. Das alles erklärt vielleicht, warum Ludwig II. heute populärer ist als König Karl.

 

Studium und Familie

 

L Die Jugendzeit beider verlief doch recht ähnlich, so wie es eben in bürgerlichen Familien des 19. Jahrhunderts üblich war. Beide haben ein Studium begonnen. Kommen wir zu der interessanten Zeit, als beide sich von „Zuhause“, von der Familie etwas befreien konnten. Ludwig hat sein Studium abbrechen müssen, weil sein Vater starb und er sein Amt als König antreten musste. Wie muss man sich den Studenten Karl vorstellen?

H In Tübingen hatte Karl als Student nur wenig Bewegungsfreiheit. Sein Vater, König Wilhelm I. von Württemberg, ließ ihn an der kurzen Leine halten. Allerdings nahm Karl auch an abendlichen Soireen teil, die von der Universität veranstaltet wurden.
Karl hat insgesamt 4 Semester studiert: 1 Semester in Tübingen, 3 Semester in Berlin.
Bei einem Königssohn genügte offenbar schon ein Studiensemester, um die akademische Würde eines Doktors der Philosophie zu erlangen. Allerdings legte Karl in Tübingen eine Zwischenprüfung ab, die er gut bestand.

L Wie war das Verhältnis Karls zu seiner Familie?

H Als König unterhielt Karl keine guten Beziehungen zu seinen Geschwistern.
Familiensinn war nicht gerade seine Stärke. Vielleicht sprach er seine Familie dafür schuldig, dass er sein „Anderssein“, das er schon früh akzeptierte, in ihrem Kreis nicht leben durfte oder sich darin nicht von der Familie angenommen fühlte.

L Auch Karl hatte schon früh Schwierigkeiten, mit Geld (das ihm als Thronfolger sein Vater zur Verfügung stellte und auch in seiner Zeit als König) umzugehen. Wie hat die Familie auf die Ausgaben/Schulden reagiert?

H Sein Neffe und Thronfolger, Prinz Wilhelm, sah, wie sein Onkel Karl die Familienkasse für seine amerikanischen Freunde schröpfte. Er sprach darüber auch mit Ministerpräsident Herrmann von Mittnacht, konnte aber nichts dagegen unternehmen.

 

Begegnungen

 

L Die beiden Könige hatten – allein schon aus Höflichkeitsgründen – Kontakt miteinander; nachweislich gab es einige Briefe, meist Glückwünsche zu familiären Ereignissen. Sind sich Karl I. und Ludwig II. von Bayern je persönlich begegnet?

H Ludwig II. von Bayern beförderte den württembergischen König Karl I. am 24. Oktober 1869 zum Oberst und Inhaber des 4. bayerischen Infanterieregiments und stellte ihm über den Verleihungsakt eine sogenannte „Prachturkunde“ aus. Es gab zwar ein paar gemeinsame politische Initiativen der beiden Könige, aber ein offizielles Treffen fand meines Wissens nirgendwo statt.
König Karl von Württemberg und König Ludwig II. von Bayern haben sich einmal getroffen, und zwar in Bad Kissingen am 25. Juni 1864 frühmorgens. Es war der Tag, an dem König Wilhelm I., Karls Vater, verstorben war. Unter den gekrönten Häuptern, die kondolierten und dem neuen König von Württemberg im Hotel die Reverenz erwiesen, befand sich auch der junge Bayernkönig.

L Sind sich die denn beider Väter (König Maximilian II. Joseph, 1811-64, und König Wilhelm I., 1781-1864) begegnet?

H Im April 1859 kam König Max II. von Bayern zum Besuch nach Stuttgart und traf dort auf König Wilhelm I. von Württemberg. Im August 1863 trafen sich die beiden Monarchen wieder in Stuttgart. Über einen weiteren Kontakt der beiden Familien ist mir nichts bekannt, leider auch nicht über ein mögliches Treffen von Ludwig und Karl in dem beliebten Kurort Bad Kissingen, in dem sich ja beide (und auch Elisabeth von Österreich wie Olga, die Frau von Karl) gelegentlich aufhielten.

L In Ihrem Buch schreiben Sie von einem Gruß-Telegramm, das Ludwig zur Silberhochzeit an das württembergische Königspaar sandte (S. 72); gab es weitere Kontakte oder war es ein „Höflichkeitsgruß“?

H Es wird ein höfischer Anstandsgruß gewesen sein, wie es sich für einen König eines benachbarten Landes eben gehörte. In den württembergischen Jahrbüchern im Hauptstaatsarchiv Stuttgart sind fast alle Kontakte der Königsfamilie mit den Mitgliedern anderer Herrscherfamilien verzeichnet. Hier müsste ich konkret nachrecherchieren!

 

Religion, Glaube und Sexualität

 

L Kommen wir zu etwas intimeren Angelegenheiten: Für Ludwig war die Religion persönlich sehr wichtig; auch wenn (oder gerade weil) er – wie z. B. bei der Diskussion um die Unfehlbarkeit des Papstes – deutlich auf Abstand zur Institution der Kirche ging. Welche Rollen spielten Religion und Glaube für Karl?

H Von einer besonderen Frömmigkeit Karls ist mir nichts bekannt und auch der Glaube hatte keine überragende Bedeutung für König Karl.

L Für Ludwig war seine Sexualität sehr belastend – nicht zuletzt wegen der Verdammung durch die Kirche. Welche Auswirkungen hatte die kirchliche Verachtung der Homosexualität auf Karl?

H Da ich Karl als wenig religiös erfahren habe, glaube ich nicht, dass die religiöse Verachtung der Homosexualität eine große Rolle für ihn persönlich gespielt hat.

L Karl lebte seine Sexualität „privat“ aus; seit wann war die Homosexualität Karls denn in der Öffentlichkeit bekannt?

H Das ist schwer zu beurteilen, weil der Terminus „Öffentlichkeit“ nur schwer zu fassen ist.
Die Entourage des Kronprinzen und ein Teil der Hofgesellschaft ahnten wohl schon frühzeitig etwas über Karls „Eigentümlichkeiten“. Er hatte enge Männerfreundschaften schon vor seiner Hochzeit mit Olga.
Die breite Öffentlichkeit erfuhr natürlich erst später von Karls sexueller Orientierung und sprach darüber natürlich auch nicht offen.

L Und wie ging „die Öffentlichkeit“ damals generell und speziell in Karls Fall mit dem Thema um?

H Natürlich war Homosexualität ein tabuisiertes Thema in der damaligen Zeit. Man sprach einfach nicht darüber, sondern nahm es stillschweigend hin, besonders wenn es sich um den König höchstpersönlich handelte.
Für aufgeklärtere Leute wie Ministerpräsident von Mittnacht [1825-1909], Dr. Fetzer, Kabinettschef Griesinger und andere war die Tatsache als solche wohl kein so großes Problem, man tolerierte es einfach, ohne es deswegen gut zu heißen.
Nicht die Homosexualität als solche war Karls Problem, sondern seine Weigerung, die Regierungsgeschäfte so zu führen, wie es sich für ein gekröntes Haupt gehörte.
Die homosexuellen Neigungen Karls wurden erst dann zum Problem, als Charles Woodcock, Karls amerikanischer Freund, die Intimfreundschaft zum König für eigene Bereicherungszwecke und politische Einflussnahme missbrauchte.

L Zu den moralisch-religiösen Belastungen kamen ja noch die strafrechtlichen Bedenken, die Karl und Ludwig als Staatsoberhaupt und damit „obersten Hüter des Gesetzes“ haben mussten.
Waren Karl die strafrechtliche Relevanz, die Folgen seines Handelns, seiner Beziehungen bewusst, man denke hier an den nach der Reichsgründung in Bayern und Württemberg eingeführten § 175 des Strafgesetzbuches (der ja, in verschiedener Form, bis 1994 Bestand hatte)?

H Das glaube ich nicht. Er fühlte sich wohl über das Gesetz erhaben.
Ich kenne keine einzige Quelle, die von diesbezüglichen Ängsten oder Überlegungen Karls Kunde gibt.

L Sie schreiben, dass Karls Verhalten „unliebsames Erstaunen und Kopfschütteln“ (S. 123) hervorrief, Mittnacht aber „alles unter Kontrolle halten“ (S. 125) konnte. Dies steht ja gerade im krassen Gegensatz zu den Umständen in Bayern, konkret zum Verhalten des bayerischen Ministerpräsidenten Johann von Lutz (1826-90).
Heute wird leider immer noch in zahlreichen Publikationen die Sexualität Ludwigs ignoriert, ja verleugnet. Wie wird Karls Homosexualität heute in der Öffentlichkeit behandelt?

H Es gibt kein Raunen im Publikum mehr, wenn von einem „schwulen“ König die Rede ist. Bei meinen Lesungen gehen die Zuhörer recht locker und freizügig mit diesem Thema um.

L Karls „homosexuelle Neigungen [zu jungen, gut aussehenden Männern] werden immer deutlicher“ (S. 80); er führt „seinen Lebenspartner in die vornehme Gesellschaft“ ein (S. 123) und erregt mit seinen „sonderbaren Neigung“ abermals Aufsehen (S. 208). Obwohl diese Neigungen „allseits bekannt“ sind, herrscht Diskretion in der bürgerlichen Presse. Erst als ab 1890 die sozialdemokratische Presse Enthüllungen veröffentlicht, wird das Thema offener diskutiert. Nicht zuletzt durch das – wie Sie schreiben – gemeinsame Umherreisen mit dem Liebhaber. Wie muss man sich das konkret vorstellen?

H Karl reiste mit seinen Freunden nach Friedrichshafen am Bodensee oder an die französische Cote d’Azur, manchmal auch nach San Remo in Italien. Es war mehr ein Aufenthalt als ein „Umherreisen“.
Karl mietete an den Urlaubsorten für seine Freunde Villen oder Hotelzimmer und verbrachte mit ihnen einen großen Teil seiner Zeit. Natürlich wurde auch für Ausfahrten angespannt. Im Hotel, das Karl für sich und seine Entourage mietete, logierten die Freunde aber nicht!

L Kritiker betonen immer wieder hinsichtlich Ludwigs „Neigungen“, sie seien unbewiesen…
Sie schreiben aber ja davon, „was sie dort treiben“ und spekulieren: „aber mit ein wenig Fantasie“… (S. 87)
Haben Karl und seine „Gefährten“ nun tatsächlich Sex gehabt?

H Ich war nicht dabei und kann es deswegen auch nicht bezeugen!
Aber so wie 1 + 1 die Summe 2 ergibt, gibt es für mich keinerlei Zweifel, dass sie Sex miteinander gehabt haben.
Mittnacht spricht im Zusammenhang des Harnröhrenleidens von Karl darüber, dass dies wohl auf die „Beziehung“ mit Georges (letzter Intimfreund des Königs) herrühre, dem Dr. Fetzer jedoch widerspricht. Was hat die Verschlimmerung des Harnröhrenleidens aber mit der Beziehung des Königs zu Georges zu tun? Die Vermutung des Ministerpräsidenten macht ja nur dann einen Sinn, wenn er das Harnröhrenleiden Karls mit dessen sexueller Aktivität mit Georges in Verbindung bringt.
Also war für Mittnacht (und alle anderen Hofbeamten) klar, dass Karl Sex mit Männern hatte. Das gilt natürlich auch und in ganz besonderer Weise für seine Intimfreundschaft mit Charles Woodcock.
Mittnachts Worte lassen keinen anderen Schluss zu, dass er eine homosexuelle Praxis („Beziehung“) Karls zu Georges (und seine früheren Liebhaber) unterstellte.
Von Woodcock ist übrigens bekannt, dass er in seiner Zeit als Prediger in Amerika intime Beziehungen zu Männern unterhielt. Er scheint auch mit seinem „Begleiter“ Hendry in einer solchen Beziehung gelebt zu haben.
Im Vortrag Bismarcks an Kaiser Wilhelm II. heißt es, dass bei Karl „eine auf geschlechtlicher Unnatur beruhende Krankheit“ vorherrsche, so wie bei Karls Opa Friedrich I. von Württemberg. Diese Einschätzung erfuhr Bismarck über Herrmann von Mittnacht.
Somit ist völlig klar, dass Karl homosexuell war und seine Veranlagung auch auslebte, sonst wäre ja ein Skandal niemals ausgebrochen. Worte wie „romantische Männerfreundschaft“ etc. sind also nur Ausflüchte, zu denen man damals griff, um den wahren Kern – nämlich sexuelle Männerbeziehungen – dahinter zu kaschieren.

L Sie haben ja hierzu einige Details herausgefunden; z. B. dass das Klistier „auch als Vorbereitung“ verwendet (S. 93) wurde, dass das „hässliches Laster“, die „sinnlichen Triebe“ ausgelebt wurden und: Karl „zeigt sich mit Männern intim in der Öffentlichkeit“. Ja, er habe „(Onanie) in höchstem Maß betrieben“ (S. 56).
Wie muss man sich das vorstellen? Wie haben sie sich „entlarvend“ in der Öffentlichkeit gezeigt?

H Wenn zwei Männer Hand in Hand spazieren gehen, sich zärtlich Küsse austauschen, was heißt das dann?

L Gut, das kann man bei Ludwig auch finden. Inwiefern sprengten die Verhältnisse die Regeln (damals üblicher) romantischer Männerfreundschaften?

H Die Beziehungen Karls waren erotischer und sexueller Natur. Das war im Kanon romantischer Männerfreundschaften nicht vorgesehen.

L Kann man von einem langwierigen Coming-Out sprechen? Wie verhält sich dies zur schwulen Identitätsbildung im modernen Sinne?

H Langwierig war es meines Erachtens nicht, da Karl doch schon recht früh mit seinen Männerfreundschaften anfing.
„Schwule Identitätsbildung“ geht mir ein bisschen zu weit. Da schwingt ein gesellschaftskritischer Unterton mit.
Ich glaube nicht, dass sich Karl als Vorreiter für eine homosexuelle „Befreiung“ verstand und gleichgeschlechtliche Männerbeziehungen offen propagieren wollte. Da fehlte ihm einfach der Mut. Er wollte eben nur sein Anderssein ausleben, ohne sich von irgendjemand darin reinreden zu lassen.

L In Kapitel 35 fügen Sie einen recht offenen Monolog Olgas, Karls Frau, ein – ist dieser belegt oder handelt es sich hier um die schriftstellerische Freiheit, weswegen Sie ja die Romanform wählten?

H Nein, dieser Monolog ist nicht belegt! Aber das sind die kleinen Freiheiten, die mir als „Romancier“ zustehen.
Belegt ist – durch Tagebucheintrag des Leibarztes -, dass es zwischen Karl und Olga wegen dessen Beziehung zu Woodcock zu einer erregten Aussprache in Nizza kam.
Was wird wohl das Thema dieses ehelichen Streits gewesen sein? Natürlich die Liaison von Karl mit Charles, also die Beziehung von Mann zu Mann!
Dass Olga die Homosexualität ihres Ehemanns still erduldete, gilt als erwiesen. Dafür gibt es genügend Belege.
Sie war darüber sicherlich alles andere als glücklich, aber sie nahm ihr Eheschicksal hin, weil sie wusste, dass ihr Gatte ohne einen „Herzensfreund“ nicht leben konnte.
Sie selbst sagte einmal, dass Woodcock Karls „Spielzeug“ sei, ohne das er keine innere Balance mehr finden könne. Aus all diesen belegten Tatsachen habe ich dann den Monolog ersonnen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass er die Situation von damals authentisch wiedergibt.

 

Reisen

 

L Ludwig reiste nicht gerne, aber inkognito zu Richard Wagner in die Schweiz, aber auch nach Frankreich, um die Schlösser der Bourbonen besser kennen zu lernen.
Auch Karl reiste inkognito nach Paris (1858) – was war Karls Anlass für die Reise?

H Paris war natürlich schon damals für seine „Freizügigkeiten“ bekannt.
Ob Karl bestimmte Etablissements aufgesucht hat, um dort mit Männern intim zu verkehren, weiß ich nicht. Ausschließen würde ich das aber nicht unbedingt.
Offiziell stattete er der kaiserlichen Familie von Frankreich einen Besuch ab, es gab ja verwandtschaftliche Beziehungen.
Karls Hauptinteresse war es jedoch, inkognito in Paris zu weilen, um sich die Seine-Metropole anzuschauen oder etwas in Ruhe zu „erleben“.

L Gab es einen Hofzug, ähnlich dem Ludwigs?

H Es gab einen königlichen Sonderzug, einem Hofzug ähnlich, ja. Im Gegensatz zu Ludwig brach Karl meist mit großem Gefolge auf – die Reisen waren immer recht kostspielig.

 

Finanzen

 

L Sie sprechen von kostspieligen Reisen und Aufwendungen für Liebhaber (S. 118); auch Schlösser waren Karls Leidenschaft (S. 176). Auf Seite 115 sprechen Sie von Ludwigs Bauwut, die den „Staat an den Rand des Ruins“ gebracht hätte. Allerdings handelte es sich genau wie bei Karl um Ludwigs „Zivilliste“, die er „ruinierte“ – also sein Privatvermögen. Daher war auch die Familie sehr bedacht auf „ein Ende“…

H Karl hat das königliche Hausvermögen nicht ganz verschleudert, aber doch große Löcher in die Familienkasse gerissen. So wie bei Ludwig herrschte auch in der württembergischen Staatsregierung die Furcht vor, Karl könne – wie bei seinem bayerischen Amtsbruder – das Privatvermögen der Königsfamilie ruinieren!
So weit kam es zwar nicht, aber die Überlegungen, Karl zum Thronverzicht zu überreden, um seiner Geldverschwendung bzw. Freizügigkeit einen Riegel vorzuschieben, haben natürlich auch etwas mit dieser Angst zu tun.

L Warum war Karls Herrschaft aus diesem Grund nicht gefährdet?

H Karls Herrschaft war durchaus gefährdet, auch wenn es zum Schluss nicht zum Äußersten kam, weil der König „rechtzeitig“ starb.
Ob man sich zur Thronenthebung Karls hätte durchringen können, falls er bei Fortleben nicht freiwillig auf seine Krone verzichtet hätte, ist nur schwer zu beurteilen.
Aber ganz so schlimm wie bei Ludwig lag die finanzielle Situation in Württemberg dann doch nicht, so dass eine Entmündigung Karls nicht ganz so dringlich war wie beim Bayern. Nichtsdestoweniger wurden aber hinter verschlossenen Türen solche Überlegungen durch die Staatsregierung angestellt. Ob sie jemals in Anwendung gekommen wären, bleibt natürlich spekulativ, aber ausschließen kann man das nicht.

 

Schlösser

 

L Für Ludwig hatten die Schlösser, ja das Bauen an sich – man spricht auch von Bausucht – eine große Bedeutung. Welchen Bezug hatte Karl zu seinen Schlössern?
Beide hatten ja eine interessanterweise „Villa“/Schloss Berg; beide hatten ihre Lieblingsschlösser…

H Villa Berg bei Bad Cannstatt (Nähe Suttgarter Residenzschloss) und Schloss Friedrichshafen am Bodensee waren Karls Lieblingsaufenthalte.
Die Villa Berg wurde in seinem Auftrag vom Architekten Leins gebaut (und mit der Mitgift von Olga finanziert).

 

Regierung

 

L Wir hatten ja schon über die Regierung und deren Verhalten gesprochen. Bevor wir dies vertiefen: Es gab ein (wenn auch widerwilliges) Zusammentreffen mit dem deutschen Kaiser bei einem „Kaisermanöver“ (S. 101), bei dem sich Karl nicht – wie sonst oft – hat vertreten lassen?
Ähnlich wie Ludwig hat sich Karl häufig „nicht gefühlt“. Bei Karl war eine offizielle Krankschreibung nötig, wieso?

H Wenn der deutsche Kaiser mit dem Kronprinzen und dem Generalstabschef des deutschen Heeres nach Stuttgart kommt, kann selbst ein König schlecht einen Adjutanten als Stellvertreter zum Empfang schicken.
Als Landesvater stand er in der Pflicht, die hohen Gäste aus Berlin zu begrüßen und während der Manöver auch zu begleiten (was er aber nicht tat, sondern sich „krankheitsmäßig“ durch den Thronfolger, Prinz Friedrich, vertreten ließ – ohne Attest).
Das mit der Krankschreibung hat mich ehrlich gesagt auch etwas überrascht!
Aber Dr. Fetzer weigerte sich standhaft, dem König das Attest auszustellen. Vielleicht dachte sich Karl, dass er mit der offiziellen Krankschreibung einen Grund vorschieben könne, warum er den Kaiser und seine Entourage beim Kaisermanöver weder empfangen noch begleiten könne. Das wäre Karl natürlich am Liebsten gewesen.

L Wieder findet sich eine Parallele zu Ludwig: warum hat Karl die Regierungstätigkeit vernachlässigt?
Auch er hatte Abdankungsgedanken, um „mit Charles als Privatmann“ (S. 193/194) leben zu können – ähnlich wie Ludwigs Pläne, für Richard Wagner abzudanken.

H Er hatte einfach keine Lust, sich mit Regierungsarbeit abzuplagen.
Vielleicht sah er als mediatisierter Reichsfürst auch keinen großen Sinn mehr darin, irgendwelche Amtsgeschäfte zu betreiben.
Auf seine königlichen Vorrechte wollte er aber keineswegs verzichten! Ein Monarch als Privatmann, aber mit politischer Macht (ein bisschen wie bei Ludwig mit dem absoluten Königtum – „le roi règne, mais il ne travaille pas“!) und viel Geld – so hätte es Karl wohl am Liebsten gehabt.

L Wie war das Verhältnis zur Regierung, die Karl ja – trotz des Drucks von Preußen – nicht abgesetzt hat?

H Mit Herrmann von Mittnacht besaß Karl einen vorzüglichen, loyalen und sehr befähigten Ministerpräsidenten.
Mittnacht ließ in Berlin immer wieder durchblicken, dass er sich dem König in Anhänglichkeit verpflichtet fühlte. Eine Absetzung Karls oder dergleichen kam für Mittnacht deshalb nie in Frage, was er als Botschaft auch nach Berlin signalisierte. Auch gegenüber Eulenburg [Philipp Friedrich Alexander Fürst (seit 1900) zu Eulenburg und Hertefeld (1847-1921) war 1881-88 Legationssekretär in München], als preußischer Vertreter am württembergischen Hof nahm Mittnacht die gleiche Haltung ein. Freiwilliger Thronverzicht des Königs ja, aber keine Zwangsmaßnahmen!

L Es gab auch in Bayern eine nicht unbedeutende Anzahl von Gegner der preußischen Vorherrschaft. Auch Ludwig hat sich im Grunde nie mit der Herrschaft der Hohenzollern abgefunden. Fand ein Austausch mit den anderen Fürsten bezüglich der innerlich abgelehnten Reichsgründung statt?

H Mir ist nichts darüber bekannt. Ist aber eine interessante Frage, der man mal gesondert nachgehen sollte!
Karls Nachfolger, König Wilhelm II. von Württemberg, besprach sich aber mit anderen Reichsfürsten über die preußische Vormachtstellung im Reich, die er und ein paar andere Reichsfürsten mit wachsendem Misstrauen beobachteten. Aber sie fanden nicht den Mut zur entschlossenen Aktion gegen die immer stärker auftrumpfende Zentralmacht in Berlin.

L Wann (und warum) verlor Karl das Interesse an der Politik, obwohl er ja zunächst ein Manifest schrieb und Reformen, wie Freiheiten für Presse usw., einführte?

H Erst nach der Reichsgründung 1871 verlor Karl weitgehend das Interesse an der Regierung. Der Verlust der württembergischen Souveränität kränkte Karl schwer, er fühlte sich seiner Rechte als König beraubt. Vielleicht ist das ein Grund, warum Karl der Politik und den Amtsgeschäften mehr und mehr entsagte und schließlich nur noch auf den Erhalt seiner königlichen Prärogativen bedacht war.

 

Nachträge

 

L Obwohl es sich ja um einen „frei“ geschriebenen Roman handelt, fügen Sie eine ganze Reihe an Nachträgen an: einige Presseartikel, Ausführungen zur „Eulenburg-Affäre“, Kurz-Biografien der Liebhaber und einen Epilog – sowie ein Literaturverzeichnis.
Was ist der tiefere Sinn dieser Nachträge?

H Die Nachträge sollen das Buch abrunden und dem Leser noch ein paar wichtige Informationen über die Hauptakteure, die sich ja erst nach dem Tode König Karls ergaben, nachliefern.
Der Epilog ist erfunden!
Mir tat Karl einfach leid, weil ich ihn in meinem Buch etwas „härter“ porträtieren musste, als mir eigentlich lieb war.
Aber die historischen Quellen und Belege erforderten es einfach, Karl so zu beschreiben, wie ich es in meinem Buch getan habe.
Karl wird aus der Perspektive seines Hofstaats und der Regierung beurteilt, seine eigene „Geschichte“, seine Gefühle und seine Liebe zu seinen Partnern kommen darin überhaupt nicht vor.
Ich fand das etwas unfair gegenüber Karl und wollte ihm deswegen am Schluss noch eine Liebeserklärung für Woodcock als Traumerzählung zubilligen. Ich bin mir eigentlich sicher, dass Karl solche oder doch sehr ähnliche Träume gehabt haben muss!
Das Tagebuch des Leibarztes ist voll von Einträgen, die davon künden, wie unsagbar groß Karls seelisches Leid in den ersten Trennungsmonaten von Woodcock gewesen ist. Dr. Fetzer wird häufig zu ihm gerufen, weil Karl in der Nacht Herzbeklemmungen bekommen hat.
Aus der Psychoanlayse wissen wir, dass der Mensch Leid, Frust und Sehnsucht in Träumen verarbeitet. Also muss Karl Träume wegen seiner Trennung von Woodcock gehabt haben.
Weil ich hierfür natürlich keine Belege finden kann (Karl führte im Gegensatz zu Ludwig niemals ein persönliches Tagebuch!), habe ich mich für den Traum entschieden.
Ich muss es dem Leser überlassen, wie er das beurteilen will.

L Wir feiern dieses Jahr den 200. Geburtstag des Komponisten Richard Wagner. Interessanterweise hat Ludwig 1864 Wagner ausgerechnet in Stuttgart aufgetrieben und von dort zu sich nach München gerufen. Gibt es einen Bezug von Karl zu Richard Wagner? Wie war Karls Beziehung zu dessen Musik, seinen Werken?

H Karl ging gern in die Oper. Er war fasziniert von der Musik Richard Wagners. Er sorgte dafür, dass Wagners Werke in das Repertoire des Stuttgarter Hoftheaters aufgenommen wurde.

L Herr Honeck, wir danken Ihnen sehr herzlich für das ausführliche Gespräch und wünschen Ihnen viel Freude an den weiteren Projekten!

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