König Ludwig II. Schlösser in 3D
Im Dezember 2006 haben die Firmen Metamatix AG und Autodesk GmbH, beide München, unter der Schirmherrschaft der Bayerischen Akademie der Wissenschaften das Projekt „Ludwig II., die Technik und Virtuelles Bayern“ vorgestellt. Über viele Jahre hinweg haben deren Mitarbeiter verschiedene Objekte mit modernsten Techniken digitalisiert und damit auf dem heimischen Monitor in 3D erlebbar gemacht. Dazu gehören Einrichtungen, die es nicht mehr gibt, wie den Wintergarten auf der Münchener Residenz, oder geplante aber nie gebaute, wie Schloss Falkenstein.
Mit historischen Planungsdaten und Modellen (soweit vorhanden) wurden diese Pläne zum Leben erweckt – wenn auch „nur“ virtuell erlebbar.
Es war 2006 geplant, diese Möglichkeiten auch einem breiten Publikum zugänglich zu machen. So sind – gut ein Jahr später – jetzt die beiden DVDs „König Ludwig II.: Schlösser in 3D“ erhältlich. Auf Basis modernster 3D-Technologien, unter anderem aus der Weltraumtechnik, wurde das Alpengebiet zwischen Füssen und Garmisch als interaktive virtuelle 3D-Welt realisiert. Mit bis zu 900fach detaillierterer Darstellung als etwa der Software „Google-Earth“ kann man die Gegend erkunden.
DVD 1: Rad- und Wandertouren auf den Spuren König Ludwig II.
DVD 2: Bauwerke des Märchenkönigs in 3D
von 3D RealityMaps / metamatix
ISBN 978-3-940797-07-0
Preis: 49,90 Euro
Installation/Vorbereitung
Schon vor dem Kauf bzw. der Installation der DVD sollte man sich bewusst sein, dass eine große Festplatte gebraucht wird: gefordert werden mindestens 4,5 Gigabyte. Dazu werden auch noch eine 3D-Grafikkarte und ein moderner Prozessor benötigt. Hierbei sollte zwingend der aktuellste Treiber installiert sein, da die Software sonst den Start verweigert. Auf der Hilfe-Seite des Herstellers sind einige „modifizierte“ Treiber abrufbar, vor denen aber ausdrücklich gewarnt wird.
Etwas ärgerlich ist, dass das Programm bei jedem Neu-Einlegen der DVD eine komplette Neu-Installation verlangt und dabei gleich – obwohl das Programm bereits lief – die angeblich nicht passende Hardware bemängelt.
Generell kann die DVD nur mit Microsoft Windows 2000, XP oder Vista angewendet werden; ausdrücklich nicht mit Apple MacIntosh oder Linux-Betriebssystemen.
Der Doppel-DVD ist aber ein kleines Begleitheftchen beigelegt und es gibt – wenn man die Software starten konnte – eine umfangreiche Hilfeseite.
Für die Anwendung gibt es einen Registrierungs-Code auf der Innenseite; die DVD kann innerhalb von 14 Tagen frei genutzt werden und muss danach kostenfrei registriert werden.
Sofern die Software nicht selbstständig darauf hinweist, sollte regelmäßig auf Updates geprüft werden, um über die jeweils aktuellste Version zu verfügen.
DVD 1: Rad- und Wandertouren auf den Spuren des Märchenkönigs
Die erste DVD führt durch 50 Rad- und Wandertouren. Der Anwender folgt den bevorzugten Zielen König Ludwig II. und erkundet auch eigene Wege, die sich alle ausdrucken oder auf ein GPS-Gerät übertragen lassen. Neben den typischen Sehenswürdigkeiten sieht man auch Einkehrmöglichkeiten, Seen und andere interessante Orte.
Die erste Ansicht, die der Anwender genießen kann, ist der Blick vom Forggensee über das Dorf Schwangau hinweg in Richtung Schloss Neuschwanstein.
Zunächst sieht man leider „nur“ die (immerhin absolut exakte) Position des gegenwärtigen geografischen Standorts und der Höhe. Um also alle möglichen Informationen sehen zu können muss man sich zunächst etwas durch das recht minimalistisch angelegte Menü tasten. Nach und nach öffnet sich dann die virtuelle Schatztruhe und man findet unglaublich viele Überraschungen, die in der Ansicht und Beschreibung ganz nach Wunsch oder Ziel des Benutzers ein- oder ausgeschaltet werden können. Eine Übersichtskarte und der Kompass erleichtern die Orientierung, können aber auf Wunsch abgeschaltet werden, um eine freie Sicht zu erhalten.
Besonders nützlich, aber auch einfach schön, ist zum Beispiel der Modus „Helikopter“. Seltsamerweise lässt sich so ein Flug, einmal im ersehnten Anflug auf eine neue Auswahl, oft gar nicht mehr stoppen; so kann es passieren, dass man im Steilflug auf das Objekt zufliegt, um dann wieder über die Berge auf ins Nirgendwo oder auch gegen einen Berg zu fliegen. Also: gut aufpassen!
Hat man sich dann aber mit der Navigation durch Landschaft und Programm etwas angefreundet, öffnen sich zahlreiche Informationen zu vielen Objekten, wie Beschreibung, historische Abbildungen, Öffnungszeiten, bis hin zu Kontaktdaten und Internetadresse. Bei manchen Objekten fehlen leider weitere Angaben.
So ist zwar die Position des Musikpavillons bei Linderhof dargestellt, ein Foto oder eine Beschreibung des hier geplanten Theaters sucht man jedoch vergeblich.
Jede Ansicht ist – auch mit den jeweils eingeblendeten Informationen ausdruckbar; hier wäre eine Vorabansicht (Druckvorschau) sehr schön gewesen, da die Ausdrucke doch etwas von der Bildschirmansicht abweichen.
Der virtuelle Flug und die 3D-Ansichten mögen vielleicht „nur nette Spielereien“ sein, ein ganz besonders praktischer Nutzen kommt damit aber auch bei den „Wanderwegen“ zum Vorschein.
Überhaupt lohnt sich die Anschaffung einer (passenden) 3D-Brille, die zwar recht günstig zu besorgen ist, aber man muss doch schon etwas suchen, ehe man ein Geschäft, eine Zeitschrift oder einen Internet-Anbieter findet; vielleicht wäre es einfacher, wenn eine solche Cyan/Rot-Brille direkt mit beigelegt würde. Nach einiger Zeit passen sich die Augen dem dreidimensionalen Anblick an und man erhält ein wirklich wunderbares Seh-Erlebnis.
Die (selbst wählbaren und auch fertig vorbereiteten) Wanderwege sind deutlich gekennzeichnet. Dazu erhält man die Höhen- und Längenangaben, die Gehzeiten sowie Parkmöglichkeiten und – sofern vorhanden – gastronomische Einrichtungen. Ähnlich den Wanderwegen gibt es Radtouren mit ausführlicher Beschreibung bis hin zum Schwierigkeitsgrad.
Man kann diesen Wegen dann bequem virtuell folgen und überwindet den in der Realität manchmal doch recht schwierigen Weg tatsächlich wie im Flug. Anschließend fällt die Entscheidung leichter, ob sich das Anziehen der Wanderschuhe lohnt.
Nach Eingabe von Start und Ziel ist die zusammengestellte Strecke in jedem Modus anschaubar und variierbar, auch hier lassen sich ganz präzise die Höhen und Längen ermitteln. Der Pfad lässt sich nachfliegen, kommentieren und ausdrucken!
Die eigenen Touren können an „reality-maps“ geschickt werden, um bei einem späteren Update eingearbeitet werden zu können, so dass auch andere die besonders schönen Wege nachspazieren können.
Alle Wege lassen sich für das Global Positioning System (GPS) auswerten, in eine Datei exportieren und anschließend auf ein GPS-Gerät übertragen; einige wenige, hierfür nicht geeignete Wege sind gekennzeichnet.
Ein wenig schade ist, dass man bspw. beim Wanderweg zum Falkenstein nicht die tatsächlich dort befindliche Burg-Ruine sieht, sondern eine Version des von Ludwig geplanten, aber nicht begonnenen Bauprojekts.
Es ist zwar sehr interessant und spannend zu sehen, wie Falkenstein gewirkt hätte; es wäre aber naturgetreuer, könnte man die Projektion auf „real“ umstellen. Der Besucher oder Wanderer könnte sonst doch enttäuscht sein, wenn er nur ein paar alte Mauern vorfindet. Neuschwanstein ist ohne den beabsichtigten Bergfried dargestellt, der geplante „Chinesische Sommerpalast“ bei Reutte wird ebenso nicht gezeigt, dafür aber wiederum der „Byzantinische Palast“ bei Graswang.
Die Hundinghütte (nach Richard Wagners „Walküre“, 1. Akt) bei Linderhof wird am heutigen Standort im Park vorgestellt, aber man findet auch den Standort der 1884 und 1945 abgebrannten Original-Hütte am Fuß der Kreuzspitze.
34 Webcams sind über die rechte Maustaste, mit Kontextmenüs im Internet erreichbar und damit ist wieder ein Bezug zur realen Ansicht vor Ort möglich. Leider sind einige Kameras nicht immer aktuell oder auch nicht mehr vorhanden.
Mit der Suchfunktion lassen sich bequem alle vorkommenden Begriffe, die Längen- und Breitengrade (also exakte Positionen) und UTM-Koordinaten, die in der Vermessung und Kartographie verwendet werden, finden. Die dargestellte Region beginnt mit dem Süden des Starnberger Sees, einem Blick nach Starnberg (Schloss Berg ist leider nicht dabei), im Süden bis über die Alpen nach Innsbruck, im Osten bis Salzburg (hier ist der Chiemsee zwar erkennbar, nicht aber Schloss Herrenchiemsee) und im Westen schließlich zum Bodensee, bis Lindau.
DVD 2: „Virtuelle Rundgänge durch Schlösser und Bauprojekte“
Die zweite DVD beinhaltet sieben virtuelle 3D-Welten des Königs, wie Neuschwanstein, Linderhof oder den Schachen. Erstmals kann man Sehenswürdigkeiten erleben, die dem allgemeinen Publikum nicht zugänglich sind. Auch kann man Bauänderungen oder nicht fertiggestellte Planungen, wie den Bergfried von Neuschwanstein, sehen.
Der Blick von Norden auf die Alpen bietet die Auswahl mit den fünf Schlössern und Projekten Ludwig II. von Bayern.
Nach Anklicken eines Bauwerks werden „Allgemeine Informationen“, Hinweise zur „Realisierung am Computer“ und einen „Rundflug“ zum Objekt angeboten. Besondere Highlights des jeweiligen Bauwerks können dann virtuell betreten werden. Neben den Informationen auf einigen statischen Seiten gestaltet sich der Rundflug ähnlich einem Flug auf der ersten DVD, dauert er jedoch nur ein paar Sekunden und ist nicht individuell einstellbar, dafür aber mit Musik unterlegt. Ein Grundriss ist meist auch dargestellt, aber leider nicht vergrößerbar und die Beschriftung somit leider kaum zu lesen.
Bei Schloss Linderhof finden wir den Maurischen Kiosk als Glanzpunkt: eine sehr schlicht gehaltene Navigation bietet Zugang zu dem virtuellen Rundgang. Hier wurden keine „echten“ Bilder umgesetzt, sondern alles so detailgetreu programmiert, dass sogar die Einzelteile der Decke und des Bodens erkennbar sind. An einigen Stellen signalisiert ein „i“ weiterführende Informationen.
Das zweite vorgestellte Schloss ist Neuschwanstein. Das nie fertig vollendete Schloss ist zur Darstellung der Vision besonders geeignet. Der „Anflug“ steuert einmal um das Schloss herum (allerdings im Planungsgitter, ohne reale Umwelt) und alle nicht ausgeführten Bauteile (Innenräume und Gebäudeteile) werden einzeln sichtbar. Der Rundflug kann immer mit „Pause“ gestoppt und das Bild näher betrachtet werden.
Besonders beeindruckend ist es, endlich einmal die Gesamtanlage der Neuen Burg Hohenschwangau, wie es noch zu Ludwigs Lebzeiten hieß, mit Bergfried, Ritterterrasse und einer Kemenate (der realisierte Teil ist wesentlich vereinfacht worden) sehen zu können.
Die Animationen führen den Betrachter in das Arbeitszimmer und den Thronsaal. Im Arbeitszimmer kann man die Tapeten und die Stoffe der Möbel sehr detailliert sehen. Der Schreibtisch selbst steht an der heutigen, musealen Position; ein Ausblick auf das Tal ist durch das Fenster des Zimmers leider nicht möglich. Ansonsten scheint die Szene, nicht zuletzt durch einen auf dem Schreibtisch zur Unterschrift liegenden Brief von 1882, unglaublich lebendig.
Der Thronsaal wird so präsentiert, wie ihn der Besucher heute vorfindet. Meist liegt jedoch ein Teppich auf dem wunderschönen Bodenmosaik; auf der DVD ist der Boden so blank gewienert, dass man sich darin spiegeln kann. Zusätzlich kann man auch die Galerie betreten und die dortigen Wandbilder ansehen. Von hier aus ist ein toller Blick zum See möglich.
Das Ritterbad – eine weitere Hommage an die Wartburg bei Eisenach – ist ebenfalls in der Realität nicht fertig geworden. Das virtuelle Bad ist jedoch bereits eingelassen worden; sogar die Stufen ins Wasser sind erkennbar, so dass man versucht ist, baden zu gehen. Ob der als Wandbild dargestellte Entwurf von Falkenstein im Ritterbad wäre oder auch die Details aus den Vorhallen (3. und 4. Stock) mit Figuren aus der Sigurdsage an der Decke, ist mehr als fraglich.
Burg Falkenstein ist – wie auf DVD 1 – auf dem dafür vorgesehen gewesenen Berggipfel postiert. Hier ist der Hauptsaal begehbar und so findet sich dort das in der Planung schon weit fortgeschrittene Schlafgemach mit dem Bett als Thron (oder Thron als Bett?). Der Mond scheint durch die – ganz realistisch etwas verschmutzten – Fenster und wirft seine Strahlen auf das Bett. Die Kerzen in der Bet-Nische flackern ruhig und das Wasser aus dem stilisierten Falken in der Wasch-Nische gegenüber ist versiegt. Hier kann man sich also die Stimmung des Raumes sehr gut vorstellen, wie auch Ludwig sie genossen hätte.
Im Gegensatz etwa zu Falkenstein war der chinesische Sommerpalast zum Zeitpunkt des Todes Ludwig II. noch weitgehend planlos. Beim Rundflug ist der Palast harmonisch in die Landschaft integriert. Bei entsprechend chinesisch angehauchter, meditativer Musik kann man durch die gesamte (!) Parkanlage mit allen Teichen, Pflanzen und Skulpturen wandeln. Über die vielen kleinen Brücken kann man entzückt in die Abendsonne blicken, während die Fahnen in lauen Lüften wehen.
Schließlich erlaubt uns die DVD noch einen Blick in das prachtvolle Obergeschoss des Königshauses am Schachen. Der virtuelle Besucher startet im Vorraum und betritt den sonst nur von dort aus zu betrachtenden Saal. Die rauchenden Räucherpfannen lassen die orientalischen Düfte erahnen, die den Saal einst durchströmt haben müssen; das Licht leuchtet bunt durch die farbigen Fenster.
Leider wird eine 3D-Variante, um die räumliche Tiefenwirkung mit Hilfe einer 3D-Brille sichtbar zu machen, wie dies in der DVD 1 umgesetzt wurde, nicht angeboten.
Mit diesen beiden DVDs ist jedenfalls stundenlanger Spaß garantiert, beim Entdecken, Nacherleben oder Planen von Touren auf den Spuren König Ludwig II. oder einfach in der von ihm ebenso geliebten Natur. Nur die echte Natur kann sie natürlich nicht ersetzen – hinausgehen muss man, wie Ludwig, schon selbst!