In historischen Romanen und Erzählungen erwecken Autoren die alte Zeit zum Leben. Sie verstehen es hervorragend, die Atmosphäre der alten Zeit in spannende Handlungen zu übertragen. Mit dieser Fähigkeit ist ihnen die Zuneigung ihrer Leser gewiss – meist bleibt aber die Wahrheit etwas auf der Strecke. Ein historischer Roman ist also ein fiktionales Prosawerk, dessen Handlung in einer historischen Zeit spielt und geschichtliche Vorgänge und Personen ohne Anspruch auf wissenschaftliche Richtigkeit in belletristischer Form behandelt. Oft nehmen sich die Autoren sehr viel künstlerische Freiheit und die wenigsten Leser werden die Fakten überprüfen.
Auch zu König Ludwig II. von Bayern gibt es zahllose Romane und andere belletristische Publikationen. Sie sind auf jeden Fall ein historisches Zeugnis ihrer Zeit und durchaus unterhaltend. Heinz Beck hat sich nun einige historische Romane ausgewählt, die selbst schon historisch sind, da sie zur Zeit Ludwig II. oder kurz nach seinem Tod geschrieben wurden. Einen großartigen Mehrwert bekommen diese – heute zum Teil nur noch schwer erhältlichen Bücher – durch die aufwändige Bearbeitung von Heinz Beck. Es sind also keineswegs „nur“ Reprints der Originale. Anlass war zunächst das eigene Interesse an der Ludwig-Belletristik – aber jetzt stehen die Bücher allen Interessierten zur Verfügung!
Das Leben und der tragische Tod des Bayernkönigs Ludwig II. bieten schon sehr lange genügend Stoff für Romane und Erzählungen. Manche dieser Werke orientieren sich an der historischen Figur und den geschichtlichen Gegebenheiten, andere wiederum lassen Ludwig II. als Protagonisten in einer phantasiereichen und fantastischen Geschichte agieren. Interessant sind diesbezüglich die frühen Veröffentlichungen, die teilweise schon wenige Wochen nach dem Tod von Ludwig II. am 13. Juni 1886 erschienen. Gerade diese frühen Werke sind heute kaum mehr in Antiquariaten zu finden oder nur bei sehr wenigen Bibliotheken gelistet. Romane, die in Fortsetzungen lediglich in Zeitungen und Zeitschriften erschienen, sind weitgehend vergessen.
Dieser seltenen und vergessenen Belletristik aus dem Umfeld König Ludwigs II. hat sich Heinz Beck aus Regensburg angenommen; die Neuveröffentlichungen sollen sie dem interessierten Leser wieder zugänglich machen. Letztendlich soll diese Buchreihe ca. 18 Bände umfassen. Jeder Band ist einem dieser Werke gewidmet. Dabei wurde die Rechtschreibung des 19. Jahrhunderts der heutigen Schreibweise behutsam angepasst. Fußnoten und Hintergrundinformationen z. B. über den Autor oder die Entstehungsgeschichte ergänzen jede Ausgabe. Die Ausstattung der einzelnen Bände ist einheitlich: 17,5 x 24,5 cm, Hardcover, Fadenbindung, Lesebändchen.
Ein König und seine Ausstrahlung in die Literatur
Als der 18jährige Ludwig am 10. März 1864 den bayerischen Thron bestieg war der Jubel groß. Ein junger, schöner und charismatischer König, so etwas kannte man bisher nur aus den Märchen der Gebrüder Grimm. Kein Wunder also, dass Ludwig II. das allgemeine Interesse weckte und nicht nur in der europäischen Tagespresse stets präsent war.
Bereits vier Jahre nach der Thronbesteigung erschien 1868 der Roman „Fürst und Musiker“ von Max Ring, der, wie aus dem Titel zu ersehen ist, sich von der Freundschaft Ludwigs II. zum Komponisten Richard Wagner inspirieren ließ, und dies mit dichterischer Freiheit in eine entsprechende Geschichte verpackte.
Zwei Jahre danach veröffentlichte der Schriftsteller Paul Victor Wichmann unter dem Pseudonym „Dr. C. Werder“ den Roman „Der Fürst von Hochland – Roman aus der Gegenwart“, in dem „unser König mit seinem Hof, samt Wagner, Holnstein, Döllinger, Liebig u. a. geschildert wurden“ (Zitat aus einer zeitgenössischen Zeitung).
Ab Mitte der 1870er Jahre erkannten auch andere Romanautoren, dass die Person, das Leben und das Schicksal König Ludwigs II. viel Stoff für autobiographische oder erfundene Geschichten bereithielt. In den Folgejahren sollte eine Vielzahl von Erzählungen und Romanen über ihn veröffentlicht werden.
1875 erschienen zwei Werke, welche, ohne dass König Ludwig II. als solcher Erwähnung fand, doch ihn unverkennbar als Vorlage für den Protagonisten zugrunde legten: Joseph Emruwe (d. i. Joseph Wurm) „Die Königs-Schlösser – ein Dichtertraum“ und Clarissa Lohde „Auf dem Throne“.
Letztere, eine damals bekannte und vielgelesene Schriftstellerin hatte durch einen Freund ihres Mannes, der am Königshof verkehrte, eine gut informierte Quelle aufgetan. Ihr Roman erschien vorab 1875 in einer Zeitung und wurde drei Jahre später in Buchform publiziert. Wenn auch hier Ludwig II. lediglich als „der König“ auftrat, lässt sich nur unschwer erkennen, wer als Vorbild gedient hat. In einer zeitgenössischen Verlagswerbung war zu lesen, dass König Ludwig diesen Roman selbst gelesen und sich der Schriftstellerin gegenüber lobend geäußert haben soll.
Es folgten weitere literarische Werke, deren Inhalt sich mehr oder weniger der Person und dem Leben Ludwigs II. bedienten. Erwähnt sei hier der 1881 erschiene Roman von Catulle Mendes „Der jungfräuliche König. Eine Hofgeschichte der Gegenwart“.
Der tragische Tod des Königs 1886 am Starnberger See war Anlass für eine wahre Flut an Roman-, Trivial- und Kolportageliteratur wie z. B. „Der Weg zum Glück – Höchst interessante Begebenheiten aus dem Leben und Wirken des Königs Ludwigs II. von Baiern“ von Karl May oder „Der Einsiedler am Starnberger See“ von Robert Frankenburg, beide noch 1886 als vielbändige Fortsetzungsreihe erschienen und immer wieder neu aufgelegt. Gerade diese Kolportageromane sind, obwohl literarisch nicht wertvoll, interessant, weil sie im Volk weit verbreitet und gelesen wurden. Diese oft mehrere tausend Seiten umfassenden Werke sind in ihrer Handlung sehr phantastisch und erfindungsreich. So behandelt z. B. „Der Einsiedler am Starnberger See“ u. a. das Thema Vampirismus und große Handlungsstränge agieren in Mexiko und England. Das Interesse des Lesers musste durch Einfallsreichtum „bei Stange“ gehalten werden.
Romane nach 1886
Im Todesjahr König Ludwigs wurde noch eine ganze Reihe weiterer Romane über das Leben des Bayernkönigs veröffentlicht: Emil Mario Vacano, „König Phantasius – Roman eine Unglücklichen“, Gregor Samarow (d. i. Oscar Meding), „Gipfel und Abgrund“, A. Faust, „Die Geheimnisse des Königsschlosses – Enthüllungen über Leben und Tod König Ludwig des Zweiten von Bayern“, J. Freimund, „Der böse Dämon des Königs – oder Eines Königs Glück und Unglück“. Auch Clarissa Lohde, deren Roman „Auf dem Throne“ ein Erfolg war, steuerte einen Folgeroman mit dem Titel „Weltfremd“ bei, der nun das Ende „des Königs“ zum Inhalt hatte.
Manche Romane wurden nicht als Buch veröffentlicht, sondern lediglich als Fortsetzungsreihe entsprechender Zeitungen. Einer dieser „unbekannten“ Werke ist „Der Romantiker auf dem Thron“ von Reinhard von Elmenau.
Auch in den Folgejahren war König Ludwig II. immer noch interessant genug, dass man ihn und sein Leben literarisch verwertete. Karl von Heigel publizierte 1891 den Roman „Das Geheimnis des Königs“ und zwei Jahre darauf eine Biografie über den Bayernkönig. Die vor allem durch die Mayerling-Affäre berühmt gewordene Nichte von Kaiserin Elisabeth von Österreich, Gräfin Marie Larisch-Wallersee, reihte sich 1898 in die Ludwig-Roman-Autoren ein und publizierte „Ein Königsmärchen“. Weitere bekannte Schriftsteller schlossen sich an: Richard Voss, „Ein Königsdrama – Roman aus einem deutschen Herrscherhause“ (1903), Michael Georg Conrad, „Majestät“ (1906), Edward Stilgebauer, „Purpur“ (1911), Hedwig Brand (d. i. Hedwig Courths-Mahler), „König Ludwig und sein Schützling“ (1911), Anton Memminger, „Die Gundel von Ehrwald“ (1911).
Die Liste lässt sich bis zum heutigen Tag fortführen und es ist zu erwarten, dass sich auch künftige Autoren und Autorinnen von Ludwig II. inspirieren lassen.
Gerade die im 19. Jahrhundert erschienenen Romane sind ein Interesse wert. Auch, wenn sie es oft mit historischen Gegebenheiten nicht immer sehr genau nehmen und diese mit der dichterischen Phantasie vermischt werden, so sind sie doch Teil der Zeitgeschichte, frühes Zeugnis des Mythos Ludwigs II. Die Werke, welche unmittelbar nach dem Tod des Königs veröffentlicht wurden, wurden von der Bayerischen Staatsregierung teils verboten. Wenn überhaupt wurden sie erst Jahre später und dann in evtl. abgeänderter Form publiziert. Manche dieser Romane sind mittlerweile sehr selten geworden und auch in Antiquariaten kaum oder gar nicht mehr erhältlich. Andere werden nicht einmal in Bibliotheken gelistet und sind somit evtl. nur noch in privaten Sammlungen vorhanden.
Das Projekt von Heinz Beck „Ludwig II. – Frühe und vergessene Romane“ widmet sich genau diesen Werken und macht sie für interessierte Leser wieder zugänglich. Dabei werden die Vorlagen nicht nur behutsam der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst, sondern Zusatzinformationen ergänzt, wie z. B. einer Autorenbiografie, der Publizierungsgeschichte oder des gerichtlichen Verbotes. Manche dieser Werke werden zum ersten Mal wieder zugänglich sein, weil sie entweder nur in Zeitungen erschienen und vergessen waren oder weil sich ein erhaltenes Exemplar in meinem Besitz befindet und ansonsten in keiner Bibliothek nachweisbar ist. Werke, die später in veränderter Form erneut aufgelegt wurden, sind nun wieder in der ursprünglichen Erstfassung verfügbar.
Sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen ist eine sehr spezielle Sache. Renommierte Ludwig II.-Wissenschaftlicher vermeiden es, literarische Werke über ihn zu lesen, weil sich das historische Bild dadurch evtl. verschleiern könnte. Und ich muss ihnen Recht geben. Das beste Beispiel sind die „Sissi“-Filme mit Romy Schneider, die die historische Person der Kaiserin von Österreich in den Köpfen der Menschen nachhaltig verändert hat.
Trotz dieser „Gefahr“ dürfen aber die Ludwig II.-Romane und hier besonders die frühen Werke, nicht in Vergessenheit geraten. Sie sind, wenn man sich stets vor Augen hält, dass diese der Phantasie des Autors entsprungen, durchaus lesenswert, spiegeln sie doch in erfindungsreichen Geschichten die Person, das Leben und Schicksal des Bayernkönigs so, wie man ihn schwärmerisch als Märchenkönig und Mythos empfunden hat.
Folgende Bände sind erschienen bzw. in Planung:
- Bd. I: Sophie Hoechstetter: »Geheimnis der Jugend« – »Der
wunderschöne Streit«, 196 S., 15,00 € - Bd. II: Anton Memminger: »Die Gundel von Ehrwald«, 111 S., 15,00 €
- Bd. III: Otto Arnold: »Die Separatvorstellungen König Ludwig II.«,
200 S., 15,00 € - Bd. IV: Michael Georg Conrad »Majestät«, 264 S., 18,00 €
- Bd. V: Eward Stilgebauer: »Purpur«, 226 S., 18,00 €
- Bd. VI: Clarissa Lohde: »Auf dem Throne« / »Weltfremd« – Doppelband
450 S., 32,00 € - Bd. VII: Reinhard v. Elmenau: »Der Romantiker auf dem Thron«
- Bd. VIII: Richard Voss: »Ein Königsdrama«
- Bd. IX bis XII: Robert Frankenburg: »Der Einsiedler am Starnberger See«
- Bd. XIII: J. Freimud: »Der böse Dämon des Königs«
- Bd. XIV: Maria Freiin von Wallersee: »Ein Königsmärchen«
- Bd. XV: Karl v. Heigel: »Das Geheimnis des Königs«
- Bd. XVI: Max Ring: »Fürst und Musiker«
Die Bände sind alle unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtschreibung überarbeitet und enthalten umfangreiche Hintergrundinformationen. Insgesamt wird es eine achtzehnbändige Reihe in einheitlicher Ausstattung. Die Bücher sind ausschließlich über Heinz Beck zu beziehen (heinzbeck62@web.de).
Eine Facebook-Gruppe ist über https://www.facebook.com/groups/1344102866047977/ erreichbar, in der man sich mit dem Initiator und interessierten Mitgliedern austauschen kann.
Die Erscheinungstermine bzw. die Reihenfolge der Bände können sich ggf. ändern.
30. Dezember 2021